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Es war im Frühjahr 1996, als Silvio Baccarelli seine Vision hatte. Während die Nachrichten im Fernseher die Bilder von einem Großbrand in São Paulos größter Favela »Heliópolis« zeigten, wurde ihm klar, dass genau dort die Aufgabe seines Lebens auf ihn wartete: den Ärmsten der Armen zu zeigen, dass es einen Ausweg aus dem Teufelskreis von Drogen, Gewalt und Elend gibt und dass dieser Ausweg in der Musik Beethovens, Mozarts und Bachs zu finden ist. Von Stund an arbeitete der Dirigent, damals schon jenseits der 60, an der Verwirklichung seiner Vision und nervte die Behörden so lange, bis sie ihm irgendwann tatsächlich eine ausgediente Orangensaftfabrik zur Eröffnung einer Musikschule überließen. Und mit der Beharrlichkeit kam langsam auch der Erfolg: Die Bewohner der Favela, die anfangs noch das kleine Häuflein musikbegeisterter Kinder verlachten, das Baccarelli um sich geschart hatte, bekamen allmählich Respekt vor der Disziplin, mit der die Jungen und Mädchen ihr neues Ziel verfolgten. Und als das Instituto Baccarelli wuchs und wuchs, wurden sie sogar richtig stolz und merkten, dass sich tatsächlich etwas in ihrem Viertel geändert hatte. Dass ihre Kinder inzwischen nicht mehr davon träumten, reiche Drogenbosse zu werden, sondern die Konzertpodien der Welt zu erobern.
Wie ein Märchen klingt diese Geschichte, und fast könnte man denken, der liebe Gott selbst hätte hier über Nacht den schmucken dreistöckigen Neubau des »Instituto Baccarelli« abgestellt, der sich seit vergangenem Jahr im Herzen von Heliópolis befindet, zwischen den verwinkelten, schmutzigen Favela-Gassen. Auch weil die Atmosphäre hier ein bisschen an ein Kloster erinnert: Alles ist sauber, die Schüler üben ihre Tonleitern mit heiligem Ernst und verehren ihre Lehrer fast noch inbrünstiger als die großen Komponisten. Und längst sind es auch nicht nur die Kinder aus Heliópolis, die hierher kommen – in den letzten Jahren ist das Baccarelli zur Pilgerstätte für musikalische Talente aus ganz Brasilien geworden und wenn der Erweiterungsbau demnächst fertig ist, wird im Institut Platz für 3.500 Schüler sein.
Natürlich stehe bei diesem Wachstumsprozess auch das berühmte Musikerziehungsprogramm »El Sistema« des Venezolaners Antonio Abreu Pate, gibt Gräfin Sabine Lovatelli zu, »nur dass wir es auf unsere Verhältnisse zugeschnitten haben, weil wir nicht 30 Jahre warten konnten.« Deshalb entschloss sich die Gräfin – eine der wichtigsten Charity-Ladies Brasiliens – vor ein paar Jahren, das Baccarelli zu einer Art Klassik-Missionszentrum auszubauen und sorgte für die nötigen privaten Gelder, mit denen Instrumente gekauft, Stipendien ausgestattet und Lehrer bezahlt werden konnten. Und weil Lovatelli nebenher auch eine der wichtigsten Konzertagenturen des Landes leitet, verpflichtete sie die auftretenden Künstler wie Joshua Bell auch gleich, im Anschluss an ihre Konzerte Meisterklassen in Heliópolis zu geben. Und der Erfolg ließ nicht auf sich warten: Die ersten Absolventen des Baccarelli spielen inzwischen bei großen Orchestern, und das Aushängeschild des Instituts, das Sinfonieorchester Sinfônica Heliópolis gibt Konzerte in ganz Brasilien. Und dass sie jetzt auf ihrer ersten Europatournee auch beim Bonner Beethoven-Fest spielen dürfen, ist eigentlich der schönste Abschluss, den man sich für dieses Klassikmärchen denken kann.
Jörg Königsdorf, 11.01.2014, RONDO Ausgabe 4 / 2010
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