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27.04. - 03.05.2024

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am 04.05.2024



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(c) Robert Paul Kothe

Lautten Compagney

Sanftes Leuchten in der Dunkelheit

Zwischen Eis und Schnee: Das Ensemble um Wolfgang Katschner stellt ein ganz besonderes Weihnachtsalbum vor.

Wenn Wolfgang Katschner und die Lautten Compagney ein Weihnachtsalbum aufnehmen, ist nicht mit den üblichen lamettabehangenen, bachtrompetenverklärten Evergreens von „O du fröhliche“ bis „Jingle Bells“ zu rechnen. Wie der Titel „Winter Journeys“ nahelegt, steht weniger das Christfest im Vordergrund als vielmehr eine allgemeine Betrachtung der kalten Jahreszeit – oder besser gesagt: ihre Durchwanderung auf musikalischen Pfaden, wie es beim singenden Protagonisten in Franz Schuberts „Winterreise“ der Fall ist. „Die Inspiration durch Schubert liegt bei dem Titel natürlich auf der Hand“, sagt Wolfgang Katschner, „mit dem Repertoire der Romantik hat das Album aber überhaupt nichts zu tun.“ Zu hören ist vor allem die Musik deutscher Komponisten des 16. und 17. Jahrhunderts sowie Volkslieder aus dieser Zeit, die häufig vom unmittelbaren Naturerleben geprägt sind. Dass dabei der Winter häufig als Thema auftaucht, ist kaum verwunderlich, bot er doch – wenn alle Arbeit und alles Leben unter Schnee und Eis begraben lagen – selbst einfachen Leuten Gelegenheit zur Kontemplation – und zum Singen.

Mehr zum Thema im RONDO-Podcast „Notenköpfe“

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Stimmungsvoll ist es Katschner und der diesmal zugleich instrumental und vokal auftretenden Lautten Compagney gelungen, die Atmosphäre eines langen, kalten und niederschlagsreichen Winters einzufangen. Auf ihm lasten Dunkelheit, Schwermut und Einsamkeit, die aber – noch bevor sich die ersten Frühlingsboten einstellen – aufgehellt werden durch das sanfte Leuchten der Weihnachtszeit. Eine besondere Stellung nehmen daher auch Weihnachtsmotetten von Heinrich Schütz, Michael Praetorius und Andreas Hammerschmidt ein, den Wolfgang Katschner an mehreren Stellen des Programms zu Wort kommen lässt. „Ich finde, dass Hammerschmidt völlig zu Unrecht vergessen wurde“, sagt Katschner, der schon seit Jahrzehnten zu den engagiertesten Anwälten für die Musik des frühen 17. Jahrhunderts gehört. Nicht zuletzt deshalb ist „Winter Journeys“ auch das Stimmungsbild eines Zeitalters, in der das Leid und die Entbehrungen des Dreißigjährigen Kriegs noch lange nachwirkten, in dem sich aber auch ein großes schöpferisches Potenzial entfaltete.
Nicht zuletzt in der Instrumentalmusik, für die die zweite Suite aus Johann Hermann Scheins Sammlung „Banchetto musicale“ (1617) ein besonders schönes Beispiel darstellt; als Thomaskantor von 1616-1630 war der 1586 geboren Komponist einer von Bachs Vorgängern. Scheins fünfsätzige Suite bildet, verteilt über das Programm, eine Art instrumentale Inselgruppe inmitten der Vokalnummern, unter denen bekannte Volkslieder wie „Lieb Nachtigall, wach auf“, „Es kommt ein Schiff geladen“ oder – Wolfgang Katschners Favorit – „O Tannenbaum, du trägst ein’ grünen Zweig“ zu finden sind. Abwechslungsreich bearbeitet hat sie der schweizerische Cellist, Komponist und Arrangeur Bo Wiget, ein langjähriger Mitstreiter Katschners und der Lautten Compagney, der mit passenden Farbakzenten den mal melancholischen, mal volkstümlich derben Charakter (etwa die maultrommelbegleiteten „Drei Gäns’ im Haberstroh“) dieser Musik in Szene setzt.

Neu erschienen:

Winter Journeys

Hanna Herfurtner, David Erler, Stephan Scherpe, Jakob Ahles, Lautten Compagney, Wolfgang Katschner

dhm/Sony

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Stephan Schwarz-Peters, 25.11.2023, RONDO Ausgabe 6 / 2023



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