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N° 1297
18. - 24.03.2023

nächste Aktualisierung
am 25.03.2023



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Weihnachtslieder machen in der Beliebtheit Platz für Popsongs © Pixabay.com

Pasticcio

„Stille Nacht“ statt „Last Christmas“

Kann einem in Australien bei 40 Grad im Schatten weihnachtlich warm ums Herz werden? Aber ja! Selbst wenn am anderen Ende der Welt eher Sonnenmilch statt Glühwein gefragt ist, bringen sich auch dort deutsche Auswanderer in entsprechende Weihnachtsstimmung. Dann werden in der sommerlichen Dezember-Hitze schon mal die Fenster mit Eisblumen-Folien verziert und die Plastiktanne geschmückt. Im öffentlichen Straßenbild begegnet man immer wieder auch dem verkleideten Santa Clause (dem wahrscheinlich angesichts der Außentemperaturen gerade der Schweiß in die Stiefel läuft). Und bevor hier und da der obligatorische Weihnachtsbraten auf den Tisch kommt, werden noch rasch ein paar stimmungsvolle Weisen aus der fernen Heimat angestimmt. Zu den Klassikern auch in Down Under gehört das berühmteste deutsche Weihnachtslied „Stille Nacht“, das erstmals 1818 während einer Christmette erklang und von dem es inzwischen über 300 Übersetzungen u.a. ins Albanische und Armenische gibt.
Aus der Mode ist dieses Lied wie all seine mal besinnlichen, mal strahlenden Pendants wie „O Tannenbaum“, „Macht hoch die Tür“ und „Leise rieselt der Schnee“ zwar auch in den deutschen Wohnzimmern noch nicht gekommen. Wobei dafür dann selbst noch der alte Schallplattenapparat entmottet wird, um Omas verkratzte Weihnachtsplatten zu reaktivieren. Doch die schönen Traditionen scheinen andererseits so langsam zum Auslaufmodell zu werden. Zumindest, wenn es nach der Beobachtung des Präsidenten der Mannheimer Musikhochschule, Rudolf Meister, geht. Denn statt mit dem eigenen Stimmband-Lametta und den entsprechenden Liedern die Familie zu ergötzen, wird immer öfters einfach der Radioknopf oder CD-Player aufgedreht, um dann die festliche Stube mit immergleichen X-Mas-Popsongs zu beschallen. Ob mit „Driving Home for Christmas“ von Chris Rea, „Last Christmas“ von Wham! oder „Merry Xmas Everbody“ mit der knarzenden Rock-Stimme Noddy Holders.
Dass die klassischen Lieder damit auf die hinteren Plätze der Weihnachtscharts verdrängt wurden, liegt aber laut Rudolf Meister nicht etwa daran, dass in Deutschland nicht gerne gesungen wird. Viele haben scheinbar einfach die Lust verloren, Lieder mit entsprechend religiösem Hintergrund zu lernen. Oder man glaubt nicht an die eigene Kraft des Gesangs. Ablegen, so Meister, kann man diese falsche Scham aber bei ungewöhnlichen Gesangsstunden. So gibt es mittlerweile „Ich-kann-nicht-singen-Chöre“! Und auf der Website lädt Chorleiterin Jeschi Paul alle mit einem simplen Argument ein, es doch mal zu versuchen: „Wer sprechen kann, kann auch singen.“ Der Erfolg zahlt sich dann spätestens Weihnachten 2023 aus, versprochen.

Guido Fischer



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