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(c) Iko Freese/drama-berlin.de
Wären Jaromír Weinbergers „Frühlingsstürme“ im Januar 1933 nicht die allerletzte Operettenpremiere der Weimarer Republik gewesen, man würde das Werk mit harmloseren Augen anschauen. Konventionell liebesverwickelt ist der Spionage-Plot vor dem Hintergrund des Russisch-Japanischen Krieges 1904/05. Kein Mensch steigt da beim Lesen durch. Außer „Traumversunken, liebestrunken“, von Uraufführungstenor Richard Tauber sogleich auf Schallplatte gebannt, ist kein Hit drin. Dennoch gelingt Barrie Kosky bei fortgeschrittener Intendanten- Ära – er bleibt der Komischen Oper ab 2022 als Hausregisseur verbunden – mit „Frühlingsstürme“ seine wohl beste Operetten- Arbeit bislang. Schon die Orchester-Rekonstruktion von Norbert Biermann (überlebt hatte nur ein Klavierauszug) entdeckt so viel schauriges Brodeln, so viel Vorschein der herandrohenden Nazi-Zeit, dass man den Tanz auf dem Vulkan nie deutlicher hörte. Mit Vera-Lotte Boecker hat man sich eine glänzende Operetten-Nachwuchs-Diva herangezüchtet. Tansel Akzeybeks stangenhafter Tenor versucht nicht künstlich Tauber-Töne zu wecken. Und Klaus Grünberg ist mit der sich öffnenden, überdrehenden Kaba-Kiste, die für Szenenwechsel sorgt, eine ingeniöse Bühnenbild-Lösung eingefallen. Auch Jordan de Souza am Pult hält ordentlich drauf. Absoluter Bringer des Abends ist der eigentlich wohlbekannte Schauspieler Stefan Kurt in der Hauptrolle des Generals. Eine Flitzpiepe, wie sie im Buche steht. Stefan Kurt exzelliert endlos in sinnfreiem Slapstick. Der läuft so souverän aus dem Ruder, dass nach der Pause fast durchgelacht wird. Es gibt doch noch echte Bühnen-Komiker. Übrigens, es war Weinbergers erste, aber nicht letzte Operette, nachdem der jüdische Komponist mit „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ seinen Durchbruch gefeiert hatte. Wenn nur ein echter Grund für eine Ausgrabung vorhanden ist, kann – wie dieser Abend lehrt – ein Triumph folgen. Super Timing. Selten so gelacht.
Robert Fraunholzer, 22.02.2020, RONDO Ausgabe 1 / 2020
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