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65 Jahre liegt Wilhelm Furtwänglers Tod bereits zurück. Und auch wenn es seitdem nie an ebenfalls bedeutenden Pultkollegen gemangelt hat (Stichwort: C. Kleiber), gilt er nachfolgenden Dirigentengenerationen als unerreichtes Vorbild. Furtwängler polarisiert aber nicht nur mit seinem musikalischen Subjektivismus und dem bisweilen freizügigen Umgang mit den Tempi. Der Berliner steht bis heute exemplarisch für die Ambivalenz großer Künstler in Zeiten der Diktatur. Dieses Thema spart auch die CD-Box nicht aus, die Furtwänglers umfangreiches musikalisches Erbe aus dem Zeitraum 1926 bis 1954 dokumentiert. So beschäftigt sich Norman Lebrecht in einem Essay mit Furtwängler während des „Dritten Reichs“ und kommt dabei zu dem Schluss: „Moralisch gesehen lässt sich an Furtwängler nichts finden, das man bewundern könnte. Die musikalische Seite ist eine andere Sache.“ Schwerlich ließe sich in den Aufnahmen, die Furtwängler mit den Berliner Philharmonikern während des 2. Weltkriegs machte, etwas entdecken, was nur ansatzweise nach „braunem“ Geist klingen würde. Die Einspielungen der Sinfonien Beethovens, Brahms‘ & Bruckners jener dunklen Jahre spiegeln Furtwänglers Gespür für die Balance zwischen Freiheit und Kontrolle, zwischen beseelenden Bögen und abgründigen Seelentiefen wider. Neben dem vorrangig klassisch-romantischem Orchester-Repertoire ist Furtwängler zudem als Operndirigent zu erleben, auf einer DVD mit Mozarts „Don Giovanni“ sowie dem Jahrhundertensemble mit u. a. Cesare Siepi, Lisa della Casa und Erna Berger.
Guido Fischer, 28.09.2019, RONDO Ausgabe 4 / 2019
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