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(c) Irène Zandel/Sony
Wien ist ein Ort, an dem die Musikgeschichte quasi an jeder zweiten Straßenecke präsent ist. Und wenige andere verstehen es wohl so gut wie die Wiener, die damit verbundenen Erinnerungen in Ehren zu halten. So ist die österreichische Metropole auch für William Youn eine Stadt, die er immer wieder gerne besucht. „Als ich 2001 zum ersten Mal nach Wien kam, bin ich durch eine kleine Gasse gelaufen und stand auf einmal vor einem Haus, in dem früher Schubert gewohnt hat. Für mich ist Wien eine Stadt, in der die Vergangenheit sehr lebendig ist und man stolz auf seine Traditionen ist. Manchmal ist es fast so, als wäre die Zeit hier stehengeblieben.“ So mischen sich auf dem jüngsten Solo-Album des Pianisten nun zweifellos auch eigene Erinnerungen und Gefühle mit denen von Robert Schumann, dessen Wien-Aufenthalt des Jahres 1838 als Ausgangspunkt für dieses Projekt diente. Den Komponisten trieb es damals nach Wien, um neue Kontakte zu knüpfen und die eigene Karriere voranzutreiben, aber auch um seine „Neue Zeitschrift für Musik“ bekannt zu machen. Ein Plan, der letzten Endes scheiterte, uns aber immerhin eine Reihe von Werken schenkte, die der junge Komponist im Nachlass von Franz Schubert entdeckte.
Die Frage, ob der Hang zum Morbiden, den man ja gerade den Wienern gerne nachsagt, auf Schumanns Kompositionen dieser Zeit abgefärbt hat, ist für Youn dabei gar nicht so eindeutig zu beantworten. „Ich habe viel über seinen Aufenthalt in Wien gelesen. Wie er sich als junger Musiker in einer fremden Stadt gefühlt hat. Das war auch mir nicht fremd. Er war manchmal sehr unglücklich, aber gleichzeitig spürt man dabei auch sehr viel Hoffnung in ihm.“ Um diese unterschiedlichen Facetten zu zeigen, steht dabei eine breite Ausdruckspalette zur Verfügung. „Die ‚Humoreske‘ zum Beispiel ist eines meiner absoluten Lieblingsstücke. Das wollte ich unbedingt aufnehmen, weil ich glaube, dass ich dazu etwas Eigenes zu sagen habe. Natürlich ist es ein Humor, der im Grunde nicht lustig ist. Schumann schrieb in einem Brief, dass er beim Komponieren gelacht und geweint hat. Ich denke, er hat diese zwei Seiten immer in sich gespürt und versucht, sie ins Gleichgewicht zu bringen.“
Dass bei dieser klingenden „Meditation über Robert Schumann in Wien“ am Ende vergleichsweise wenig Musik des Komponisten selbst auf der CD zu finden ist, hat dabei durchaus Konzept. Geht es Youn doch vor allem darum, Schumann im Kontext seiner Zeit zu beleuchten. Und so finden sich auf der Zusammenstellung neben Schubert und Liszt ebenfalls Kompositionen von Clara Schumann. „Auch sie hat es gut verstanden, sehr wirkungsvoll zu schreiben und ihre eigenen Stärken zu betonen. Und es ist interessant zu beobachten, wie sie dabei ihren eigenen Weg findet.“ Eindrucksvoll ist dies unter anderem zu hören in den Liszt-Transkriptionen ihrer Lieder, bei denen Youn den Text als Inspirationsquelle immer im Hinterkopf hat. „Die Phrasierung hat viel mit dem Text zu tun, aber mit dem Klavier lassen sich die Extreme noch mehr ausreizen als für einen Sänger, der auf seinen Atem achten muss. Ich versuche trotzdem innerlich immer mitzusingen. Denn die Töne allein sind nicht genug.“
Sony
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