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So schön traurig sein wie Telemann, das kann keiner. An seiner Unbeliebtheit auf deutschen Opernbühnen hat das wenig genug geändert. Für René Jacobs, den Marktführer beim Ausgraben vergessener Barock-Preziosen, ist die Telemann- Allergie vor allem Folge der „fixen Idee“, dass „ein Vielschreiber viel Unbedeutendes schreibt“. Telemann, so Jacobs, war aber kein Produzent musikalischer Meterware, sondern „nur unglaublich fleißig“. Seine für den Hamburger Gänsemarkt geschriebene Oper „Emma und Eginhard“ – neu an der Berliner Staatsoper (im Schiller-Theater) – sei ein Meisterwerk. Mehr noch: „Wenn Bach nach Hamburg gekommen wäre“, so Jacobs, „dann hätte er Opern geschrieben wie Telemann und Keiser“.
Tatsächlich zieht man benommen von dannen ob des mürben Holzbläser-Prunks, der porösen Leidensfarben und der herrlichen, einzigartig tröpfelnden Klangmatrizen. Die Akademie für Alte Musik forscht umso inniger, je mehr sich der Konflikt Kaiser Karls des Großen zuspitzt, der seine eigene Tochter zum Tode verurteilen muss. Noch schöner wäre es wohl, würde Regisseurin Eva-Maria Höckmayr nicht nur hinter die machtpolitische Fassade der Hofschranzen und Funktionäre blicken lassen. Sondern der Komik trauen, die in „Emma und Eginhard“ wie in jeder Gänsemarkt-Oper eine prominente Rolle spielt.
Die Entdeckung des Abends ist Robin Johannsen (Emma) als eng taillierter Schmucksopran. Gyula Orendt als Carolus lässt die Koloraturen rattern, Katharina Kammerlohers Bittermandel-Mezzo spuckt Gift und Galle. Einzig Nikolay Borchev (mit S- und Z-Fehler als Eginhard) und Sylvia Schwartz (Hildegard) sind suboptimal besetzt. Was einmal mehr ein Fragezeichen hinter die leicht undurchsichtige Besetzungspolitik des Dirigenten setzt. Trotzdem: Was täte man in Berlin ohne Jacobs’ alljährlichen Frühlingseinbruch mit Barockem! Vielleicht kann „Emma und Eginhard“ nicht mit den größten Coups der letzten 23 Jahre konkurrieren (wie Keisers „Croesus“, Scarlattis „Griselda“ und Cavallis „La Calisto“). Doch befindet sich diese Wiederentdeckung, wie ein älterer Kollege schrieb, „unter den besten acht“. Na also!
Robert Fraunholzer, RONDO Ausgabe 3 / 2015
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