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Singen die das wirklich alles? Diese vielen schnellen Noten, die in kleinen Abständen übereinander geschichtet und auf bis zu 22 Stimmen verteilt sind? Nichts Gewisses hört man nicht. Chorleiter Marcus Creed betont, er jedenfalls habe György Kurtágs drei Chorsätze über Gedichte von Dezsö Tandori mit jedem der 36 Sänger des SWR-Vokalensembles einstudiert. „Das haben alle grundsätzlich akzeptiert – vollständig führen lassen sich diese Sänger allerdings nicht, dazu sind sie zu eigenständig, zu gut und zu stolz.“ „Wir lernen Neues sehr schnell“, ergänzt Monika Bair-Ivenz, die nach 33 Jahren im Chor die dienstälteste Sängerin ist. Diese Qualität habe allerdings „schon viele Gastdirigenten irritiert, weil sie nicht wussten, was sie mit der vielen Zeit anfangen sollten, die wir für die Einstudierung gar nicht brauchten“.
Dabei steht, glaubt man Marcus Creed, das Wichtigste sowieso nicht in den Noten. Deshalb braucht es Spezialisten, die zwischen den Zeilen lesen und den Sinn auch einer derart mit überpräzisen Notierungen gespickten Partitur erfassen können, wie sie etwa Heinz Holliger mit seinen „Shir shavur“ schrieb. Das Vokalensemble ist, auch wenn es sich nicht ausschließlich dem Zeitgenössischen widmet, ein ganz besonderer Spezialistenchor, weil er die sinnliche, berührende Komponente des Singens nie außen vor lässt. Und weil bei ihm Wirkung nie nur mit Lautstärke zu tun hat. Ohne ihn fehlten vielen zeitgenössischen Komponisten schlichtweg die Interpreten für solistische Vokalmusik.
Umso schlimmer, dass der Intendant des SWR, Peter Voß, in dem Chor offenbar sein Bauernopfer gefunden hat. Der SWR muss sparen – da fällt es leicht, die Klangkörper aus dem Kulturauftrag des Senders herauszuoperieren. Über Altersteilzeitregelungen soll der Chor allmählich in ein Ensemble mit 36 halben Sängerstellen umgewandelt werden: „Semiprofessionell“ soll er auf diese Weise werden. Leider lässt sich das anspruchsvolle Repertoire des Chores mit nur halber Zeit und halber Professionalität nicht halten. Die endgültige Entscheidung steht erst Mitte dieses Jahres an, doch die Aussichten sind düster.
Susanne Benda, 28.03.2015, RONDO Ausgabe 3 / 2005
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