home

N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



Startseite · Interview · Gefragt

(c) Helge Hansen

Bergen International Festival

Über den Teich

Auch 2021 setzt das Kulturfestival in der norwegischen Hafenstadt auf ein Online-Programm – und nimmt dabei vom 26. Mai bis 9. Juni Amerika in den Blick.

Als eines der ersten Festivals hatte das Bergen International Festival 2020 mit einem ungewöhnlichen Digitalprogramm auf sich aufmerksam gemacht. Für die Festivalhymne, das berühmte a-Moll-Klavierkonzert von Edvard Grieg, spielte zwar das Philharmonische Orchester Bergen aus „Grieghallen“, dem großen Bergener Konzertsaal, doch einer fehlte: der Pianist. Víkingur Ólafsson konnte nicht einreisen und war per Screen live aus seiner Heimat Island zugeschaltet. Ein digitales Novum in dieser stolzen Festspieltradition voller pianistischer Prominenz. Svjatsolav Richter hat es gespielt (1968), Radu Lupu (1972) und natürlich auch der gegenwärtig bekannteste Pianist des Landes Leif Ove Andsnes (gleich dreimal: 1988, 1993, 2002). Ein Jahr ist vergangen und mittlerweile hat man sich gewöhnt an die digitalen Arrangements der Festivals rund um den Globus. Auch 2021 ist trotz sinkender Infektionszahlen und Lockerungen für Geimpfte an ein reines Vor-Ort-Festival in Norwegen nicht zu denken. Und so lädt das Bergen International Festival, bei einigen Aufschüben für 2022, auch im diesen Jahr dazu ein, sich vom 26. Mai bis 9. Juni digital dazuzuschalten. Von den mehr als 70 Veranstaltungen sind rund 30 digital verfügbar, die Kapazitäten für Tickets vor Ort sind stark begrenzt. „Wir haben herausfordernde Monate voller Unsicherheit und Veränderungen hinter uns. Die Eröffnung nähert sich schnell und wir können ein vielfältiges Programm an Bergens schönsten Orten bieten“, blickt Anders Beyer voraus, der seit 2012 die Geschicke des Festivals leitet und seinen Vertrag jüngst bis 2026 verlängerte. „Ein umfassendes Digitalprogramm ist für uns sehr wichtig. Wir haben viel aus dem letzten Jahr gelernt, als wir unser digitales Festivalprogramm in ein paar hektischen Wochen zusammenstellen mussten. In diesem Jahr bauen wir darauf auf und werden ein Festival anbieten für alle, die nicht nach Bergen kommen können.“ Bedauerlich sind die Einschränkungen natürlich trotzdem – vor allem, weil das umfassende Kulturfestival so eng an die Stadt und seine Spielstätten gebunden ist wie kaum ein anderes. Wer etwa schon einmal durch das Hanseviertel Bryggen gelaufen oder mit der Standseilbahn auf den Stadtberg Fløyen gefahren ist, um den Blick über die Hafenstadt schweifen zu lassen, weiß, wie charmant Bergen trotz oder gerade wegen des charakteristisches Dauerregens sein kann. Von Edvard Griegs Heimat „Troldhaugen“, ein paar Kilometer außerhalb, ganz zu schweigen. Beim Bergen Festival wird in vielfältiger Form die gesamte Stadt bespielt. Da gibt es in diesem Jahr etwa das gigantische Horn Røyst, das schon 2009 als Protesthorn zur Rettung des Førdefjord (mit attraktivem Titanvorkommen) eingesetzt wurde. Oder den neugebauten Tunnel „Fyllingsdalen“, in dem die Tunnelbaumaschinen schweigen, wenn zwei Trompeter zum Konzert ansetzen. Und was hat es mit Lise Christensen Sammlung von Lampenschirmen auf sich? Neben so viel Kreativgeist sind klassische Musik und Theater die tragenden Säulen des Festival. Los geht es mit dem Eröffnungskonzert am 26. Mai, in dem Mari Samuelsen und Christian Ihle Hadland das Bergen Philharmonic Orchestra verstärken. Zusammen mit den Trondheim Soloists lässt die in der Tradition ihrer Heimat Valdres verwurzelte Geigerin Ragnhild Hemsing Volks- und Kunstmusik verschmelzen, wenn sie Edvard Griegs Musik auf der auch vom Komponisten selbst verwendeten Hardangerfiedel spielt, bei der die zusätzlich mitschwingenden Resonanzsaiten für den charakteristischen Klang sorgen. Außerdem spielt die junge Cellistin Amalie Stalheim in der Bergener Kunsthalle. Neben den traditionellen Konzerten kommt auch die Moderne beim Bergen Festival nicht zu kurz. Da gibt es etwa den Grenzgang der Kajsa Balto, zwischen Sami-Volksmusik und modernem Pop. Und für das „Immersive Storytelling Studio“ vom British National Theatre wurden gar die VR-Brillen aus dem Schrank geholt. Als Schwerpunkt blickt das Bergen Festival in diesem Jahr über den großen Teich. Das gegenwärtige Thema „This is America“ spiegelt sich auch in den Gesprächsrunden und dem Online-Workshop „Festival Cities (a)Live“ wider, des Weiteren hält das Begleitprogramm unter anderem Meisterkurse und ein Kompositionslabor bereit. Die Komponistin Missy Mazzoli aus Brooklyn wirkt als Residenzkomponistin. Mit „American Moth“ steht die Premiere eines Multimedia-Projekts von Alan Lucien Øyen (Musik: Alexandre Desplat) bevor. Und Christian Ihle Hadland nimmt Frederic Rzewskis gewaltiges Variationen-Opus-magnum „The People United Will Never Be Defeated“ in Angriff. Viel Internationalität also bei aller Heimatverbundenheit!

Bergen International Festival
26. Mai bis 9. Juni
www.fib.no/en/

Unter den Augen des Königs

Das Bergen International Festival ist ein Festival der Traditionen – und das größte seiner Art in Skandinavien. Auch wenn Musik und Theater heute die Eckpfeiler bilden, findet man im Festivalprogramm, das in Präsenzform jährlich 100.000 Besucher nach Bergen lockt, heute wie gestern auch ungewöhnliche Programmpunkte. So wurde bei der ersten Ausgabe 1953 etwa eine „Miss Bergen International Festival“ gekürt. Musikalisch schafft das Festival den Spagat, die heimischen Traditionen mit internationalen Ambitionen zu verknüpfen, auch Neue Musik spielt hier eine Rolle. Schirmherr des Festivals ist der König höchstpersönlich, Harald V.

Jesper Klein, 22.05.2021, Online-Artikel



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Festival

Klavier-Festival Ruhr

1823 – 1923 – 2023

Das Klavier-Festival Ruhr feiert unter anderem den Hundertsten von György Ligeti – und […]
zum Artikel

Da Capo

Oper, Lyon (FR)

Ein König wird abgesetzt, eine krächzende Karotte, eben der Ackerfurche entschlüpft, erobert die […]
zum Artikel

Hörtest

Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“: Alle auf Zucker

Ach ja, die Kinderoper! Falsch: Denn Humperdincks Partitur ist nicht rührselig, und zudem die […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Das Klavierquartett c-Moll des 19-jährigen Strauss war ein Geniestreich, der sofort als solcher erkannt wurde. Komponiert 1883/84, zwischen der ersten Sinfonie und der „Burleske“ für Klavier und Orchester, gilt es als Höhepunkt der Auseinandersetzung mit Brahms und den Formen der klassisch-romantischen Instrumentalmusik.

Aus einer viel späteren Schaffensphase, nämlich den letzten Kriegsmonaten 1945, stammen die „Metamorphosen für 23 Solostreicher“. Zu jener Zeit arbeitete […] mehr


Abo

Top