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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Johann Sebastian Bach

Kantaten für Solo-Sopran

Dorothee Mields, L’Orfeo Barockorchester, Michi Gaigg

Carus/Note 1 CAR83309
(67 Min., 12/2014)

Im Zentrum dieses Bach-Programms mit Kantaten für Solo-Sopran steht BWV 199 „Mein Herze schwimmt im Blut“, ein kleines Meisterwerk aus Weimar. Theologisch gesehen hat das Werk jene typische Dramaturgie, der wir in vielen barocken Kantaten begegnen: Am Anfang wird mit drastischen Worten und entsprechend expressiver Musik ein Szenario von sündhaftigkeitsbedingter Verlorenheit und Verzweiflung aufgebaut, und irgendwann gibt es einen Umschwung durch die Erkenntnis: Christus ist ja schon längst für mich gestorben, sein Opfer hat mich zuverlässig erlöst. Ausgelassene Freude ist die Folge, in BWV 199 charakterisiert durch eine Choralstrophe mit obligater Viola-Virtuosität, eine herrliche Koloratur im letzten Accompagnato-Rezitativ und eine anschließende Gigue-artige Arie.
Die Gewichtung der Affekte – ein paar Minuten Jubel am Schluss, davor zwei große Arien und zwei Accompagnati voller Zerknirschung und Reue – zeigt: Die barocke Theologie räumte der detaillierten Darstellung des Ausnahmezustandes der Gottverlassenheit den meisten Platz ein, um die Menschen umfassend und detailgenau dort „abzuholen“, wo sie sich nach einer individuell fordernden Woche beim Ankommen im Sonntagsgottesdienst vielleicht psychisch befanden. Die Musik, die Bach dazu fand, ist dunkel, schwer, harmonisch verwinkelt, melodisch voller Glut, insgesamt ungeheuer expressiv. Im Rahmen der historisierenden Aufführungspraxis neigen wir heute dazu, Geschmeidigkeit und Eleganz den zuvor genannten Aspekten entgegenzustellen: Die rein musikalische Substanz von Bachs Musik verführt immer dazu, sie zu schnell und zu galant, zu federnd umzusetzen. Dies passiert auf dieser CD vor allem mit den ersten beiden Arien von BWV 199: So perfekt sie gespielt, so herzzerreißend schön sie von Dorothee Mields gesungen werden – das, was sie inhaltlich aussagen sollen, verkündigen sie auf diese charmante Weise eben gerade nicht. Man höre Magdalena Koženás ergreifende Interpretation unter Gardiner alternierend mit der vorliegenden, und man wird augenblicklich verstehen, dass zwischen dieser und jener hinsichtlich der Grundhaltung Welten liegen.

Michael Wersin, 05.12.2015


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