home

N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Responsive image mb-5

Lookin’ Good

Joe Gordon

Contemporary/Original Jazz Classics/ZYX 0 25218-19342 9
(40 Min., 7/1961) 1 CD

Ob wegen Autounfall oder Alkohol, Krankheit oder Droge – seltsamerweise befinden sich gerade unter den großen Jazztrompetern besonders viele, die früh und jäh aus dem Leben gerissen wurden: Bix Beiderbecke, Bubber Miley, Bunny Berigan, Fats Navarro, Clifford Brown, Booker Little und Lee Morgan machten genug Einspielungen und hatten so großen Einfluss, dass sie heute noch die Geschichtsbücher zieren. Die Trompeter Freddy Webster und Sonny Berman leben mehr noch als in ihren spärlichen Aufnahmen vor allem in zahlreichen Berichten von Kollegen als Legenden weiter.
Der tragische Tod 1963 als fünfunddreißigjähriges Opfer einer Feuersbrunst machte Joe Gordon nicht zur Legende. Dabei wäre schon seine Musik Grund genug. Die Stationen in der Biografie des Meisterboppers lesen sich wie ein Who’s Who: Charlie Parker, Art Blakey, Dizzy Gillespie, Horace Silver, Shelly Manne, Wes Montgomery und Thelonious Monk. Wohl keiner von ihnen hätte auf der Bühne oder im Studio einen mittelmäßigen Trompeter engagiert.
Hört man Joe Gordons warmen Sound, die klare Umsetzung seiner einfallsreichen Improvisationen und seine fraglose kompositorische Begabung auf diesem Album, sucht man verzweifelt nach einem Grund für seine Anonymität. Sie kann nur daran liegen, dass Gordon unter eigenem Namen nur zwei Alben eingespielt hat, von denen dieses das einzige heute erhältliche ist, bezeichnender Weise in limitierter Auflage. Außerdem wirkte Gordon im goldenen Zeitalter der Bop-Trompete und war selbst „nur“ ein allerdings grandioser Schüler von Dizzy Gillespie, Clifford Brown und (in einem geringeren Maße) Miles Davis.
Heute vermischen allerdings Scharen von Young Lions, die jünger sind als dieses vierzigjährige Album, immer noch die gleichen Einflüsse und werden als Zukunft des Jazz gefeiert. Und doch gelingt nur wenigen von ihnen ein so guter Wurf wie „Lookin’ Good“, dessen rundum inspirierte Atmosphäre gefangen nimmt. Es hat den Test der Zeit bestanden und wäre als Neuerscheinung in seinem Abwechslungsreichtum ein Knüller: Alle acht Stücke stammen aus der Feder Gordons und sind nicht (wie heute so oft üblich) stereotype Vorlagen, die man gleich wieder vergisst, sondern witzige, spritzige, charaktervolle und einprägsame Originals, die interessante harmonische und formale Aufgaben stellen - vom lateinamerikanisch angehauchten Walzer zum souligen Blues, von der harmonisch ausgetüftelten Ballade zum modalen Ohrwurm reichen.
Zum kontrollierten Gordon kontrastiert der vehement spielende Altist Jimmy Woods, ein wagemutiger „Blindlingspieler“ mit einem expressiven, sehr eigentümlichen Sound. Der ebenfalls vergessene, an der Nahtstelle zwischen Bop und der damaligen Avantgarde à la Dolphy und Coltrane experimentierende Künstler dürfte heutigen Mainstream-Ohren schon zu „schräg“ sein, ist aber eine Wiederentdeckung wert. Der Pianist Dick Whittington, der Bassist Jimmy Bond und der Drummer Milt Turner untermauern die Tatsache, dass die besten Platten nicht immer von den bekanntesten Musikern stammen.

Marcus A. Woelfle, 01.09.2007


Diese CD können Sie kaufen bei:

Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen



Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.


Abo

Top