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N° 1356
04. - 10.05.2024

nächste Aktualisierung
am 11.05.2024



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Ein bisschen Zeit haben wir ja noch

Brigade Futur III

WhyPlayJazz/NRW Vertrieb WPJ064
(35 Min., 2019-2022)

Ist das die Zukunft der Musik? „Alle Dur-Tonarten wurden an die Werbung lizenziert“, singt Elia Rediger mit Prince-Falsett im Stück „Privare“; dazu intonieren Bläser kurz das Telekom-Motiv. Die zweite Einspielung der Brigade Futur III ist voll von diesen bitterernsten Scherzen über das Leben in Zeiten von Monetarisierungswahn, Social-Media-Solipsismus und zwischen Hysterie und Apathie schwankender Endzeitstimmung.
Je länger man diesem wilden Haufen zuhört, der aus dem Zusammenschluss von Rediger, den Multiinstrumentalisten Benjamin Weidekamp, Michael Haves und Jérôme Bugnon sowie der 18-köpfigen Leipziger Spielvereinigung Sued besteht, desto klarer wird: Vergesst Udo Lindenberg! Denn das hier ist das wahre Panikorchester.
Wobei das Kollektiv angesichts der von ihm musikalisch bearbeiteten Horror-Themen wie Privatisierungen oder Klima-Kipppunkte einen kabarettistisch kühlen Kopf bewahrt. Die post-post-ironischen Texte über digitale Vereinsamung („Hikikomori“), Xenophobie („Nachbar“) oder das Ende von Europa (basierend auf einem Stück von Hanns Dieter Hüsch) werden von einem dichten und anspielungsreichen Klanggeflecht gestützt. Da zitiert die Bigband mal Coltranes „Giant Steps“ („Nachbar“) oder macht einen auf kubanische Sozialismus-Kapelle („Privare“). Man vernimmt aber auch Dancehall-Anleihen à la Seeed, schleppende Trap-Beats („Hikikomori“) und sieht aus der Ferne des Öfteren Kurt Weill, Duke Ellington und Frank Zappa winken. Hier und da verfällt ein Saxofon in den Wahnsinn und verwandelt sich in einen kreischenden Presslufthammer.
Das Bemerkenswerte ist: Trotz der stellenweise eingespielten Redeausschnitte von Fachleuten aus dem Bereich der Ökonomie und Ökologie wirkt die Aufnahme nicht belehrend, sondern stellt mit einem mephistophelischen Grinsen die Frage in den Raum: Haben wir wirklich noch ein bisschen Zeit? Wie auch immer die Zukunft der Musik aussehen mag – das ist jedenfalls das Album der Stunde.

Josef Engels, 17.02.2024


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