Mit fast sechzig hat Frank Peter Zimmermann es nun endlich getan und alle Sonaten und Partiten für Violine solo von Bach aufgenommen. Erstaunlich ist dieser Zeitpunkt durchaus. Denn gefühlt hat sich Zimmermann seit einer halben Ewigkeit dem Konvolut mit Haut, Haaren, Herz und seiner Stradivari verschrieben. Nach all den Live-Umrundungen dieses geigerischen Makrokosmos legt Zimmermann also jetzt im reifen Alter diese jeweils drei Sonaten & Partiten in zwei Teilen vor.
Und natürlich knüpft Vol. 2 gestalterisch mit den Sonaten Nr. 1 BWV 1001 und Nr. 3 BWV 1005 sowie der 1. Partita BWV 1002 nahtlos an den ersten Teil und an all seine geistvollen, aber nie schwergedankenlastenden Erkundungen sowie an die bravouröse, aber nie ins Eitle abdriftende Spiellust an. Zimmermann pflügt diese Musik einfach vom Himmel – und schenkt sie ihm wieder zurück. Dazwischen tut sich Atemberaubendes (Double-Presto der b-Moll-Partita) und Abgrundtiefes (Adagio der g-Moll-Sonate) auf. Eine Welt, die wie frisch hingeworfen scheint und in der Zimmermann weniger mit sportlichem Elan als vielmehr mit glücklich machendem Ton (Allegro assai der C-Dur Sonate) herumtollt. Und dann wieder macht er aus dem asketischen Eröffnungs-Adagio der 3. Sonate eine ergreifende Szene des Leids, des Schmerzes und der Hoffnung – als ob Bach hier die „Sieben Worte Jesu am Kreuze“ auf nur fünf Minuten komprimiert zum Klingen bringen wollte. Zusammen mit den Gesamtaufnahmen von Isabelle Faust und Christian Tetzlaff bildet Frank Peter Zimmermanns Bach nun den ultimativen Gipfel. Man hatte es schon lange geahnt.

Guido Fischer, 09.12.2023

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