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N° 1355
27.04. - 08.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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SONIQS

Céline Rudolph

Obsessions/The Orchard-SPV OBCD23001
(52 Min., 2021-2022)

„Good news“ haucht Céline Rudolph zu Beginn von „SONIQS“, und sie singt das so, wie es sich angesichts der Nachrichtenlagen der vergangenen Jahre inzwischen traurigerweise gehört: erschöpft, fragend, auf das Schlimmste gefasst. Denn die guten Nachrichten in ihrem Text sind nicht unbedingt positiv – es geht ums Fallen in ein Nichts ohne Fallschirm und ohne Netz, aber immerhin ist da kein Boden, auf dem man aufschlagen könnte. Ist das gut oder beängstigend?
Im Kern ist das eine Frage, die sich allen stellt, die in der potenziell bodenlos-unbegrenzten Welt der Improvisation agieren. Rudolph findet mit ihrer neuen Band, in der Sebastian Merk, Regis Molina und Sebastian Studnitzky wie ein vielstimmiger Organismus Schlagwerk, Elektronisches, Wurlitzer, Klavier, Trompete, Saxofon und Flöte bedienen, traumverhangene Antworten.
Für die Lieder auf der Einspielung gilt: Was zunächst wie ein Song wirken mag mit Lyrics und einer Melodie, entwickelt sich regelmäßig zu einem wuchernden Paradiesgarten, in dem es nur so von Klängen wimmelt. Man hört Atemgeräusche und rhythmisierte Plosive, perkussives Geknirspele, samtene Bläsersätze, angetupfte Gläser, wabernde E-Pianos oder tierhafte Soli, die mal klingen wie ein aufgeregtes Insekt oder ein jubilierender Vogel.
Rudolph, die auf der Gitarre ein gewisses lateinamerikanisches Flair beisteuert, webt ihren Gesang höchst variabel in diese präzisen wie offenen Soundscapes ein. Sie ist da zugleich beiläufig-coole Geschichtenerzählerin (etwa in dem Serge-Gainsbourg-Cover „69 année érotique“), kommentierender Chor à la Bobby McFerrin, Scat-Silbenabschmeckerin (unter anderem in ihrer somnambulen Version von Wayne Shorters „Footprints“) oder so etwas wie die depressive Variante von Jacob Collier („Inner Room I“). Die wirklich gute Nachricht ist: Man hält sich gerne in diesem elektroakustischen Klangkosmos auf, in dem es ständig etwas Neues zu entdecken gibt.

Josef Engels, 28.10.2023


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