home

N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



Das ist mal wirklich ein opulenter Editions-Ansatz: Unter dem Titel „Elly Ameling Bach Edition“ erscheinen nicht etwa nur die Solo-Kantaten und Arien, die die niederländische Sopranistin im Laufe ihrer Aufnahme-Karriere aufs Band gebracht hat, sondern gleich die gesamten Kantaten, Oratorien und Passionen sowie die eine h-Moll-Messe, innerhalb derer sie beschäftigt war. Auf diese Weise bedeutet diese 20-CD-Box ein Wiederhören mit zahlreichen Sängerkolleginnen und -kollegen jener Jahre und mit den einschlägigen Dirigenten samt ihren Ensembles, die das Bach-Musikleben der Zeit knapp vor dem breiten Beginn des historisierenden Musizierens geprägt haben.
Selbstverständlich drängt sich vor dem Hintergrund der heutigen Hörgewohnheiten die Frage nach der historisierenden Praxis beim Querhören durch eine solche Box zwangsläufig auf, denn es geht dabei ja nicht nur um die Größe von Besetzungen, um die Klangfarben von Instrumenten und um Tempi, sondern vor allem auch um Stimmführung, Artikulation und Sprachaffinität der Soli. Diesbezüglich wäre zu sagen, dass Elly Amelings Gesangstechnik und ihr künstlerischer Ansatz so flexibel sind, dass man sie sich, wäre sie nur ein halbes Jahrhundert jünger, durchaus auch in den neu aufkommenden historisch orientierten Zusammenhängen hätte vorstellen können. Verheißungsvoll sind etwa die in der Box enthaltenen Raymond-Leppard-Kantateneinspielungen der frühen 80er Jahre, die die frühe Offenheit von Teilen des englischen Musiklebens für ein weniger romantisierendes Klangbild aussagekräftig repräsentieren. So hören wir etwa in den Duetten der Kantate 140, die Ameling mit Samuel Ramey darbietet, den Tausendsassa Anthony Halstead an der Continuoorgel und staunen, wie allein dieses Besetzungsdetail zu einem angenehm un-pastosen Klangbild beiträgt. In den Kantateneinspielungen von Helmut Winschermann (1969/70) erfreuen wir uns einmal mehr an den stimmlichen Möglichkeiten von Hermann Prey, der z. B. die hohe Baritonlage in der Dialogkantate BWV 32 bravourös meistert.
Schwieriger wird es mit dem Erfreut-Sein, wenn die großen Passionen selbst unter Karl Münchinger oder das Weihnachtsoratorium unter Eugen Jochum Leviathan-artig ihren Lauf nehmen mit gewaltigen Chor- und Orchesterbesetzungen, viel Vibrato bei oft kaum mehr erträglich langsamen Tempi. Hier neigt man, will man Elly Ameling genießen, mit der Zeit doch zum Durchzappen, wobei kleine Ausflüge zu den Soli von Brigitte Fassbaender, Tom Krause oder Helen Watts immer von Interesse sind.

Michael Wersin, 17.06.2023


Diese CD können Sie kaufen bei:

Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen



Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Das Klavierquartett c-Moll des 19-jährigen Strauss war ein Geniestreich, der sofort als solcher erkannt wurde. Komponiert 1883/84, zwischen der ersten Sinfonie und der „Burleske“ für Klavier und Orchester, gilt es als Höhepunkt der Auseinandersetzung mit Brahms und den Formen der klassisch-romantischen Instrumentalmusik.

Aus einer viel späteren Schaffensphase, nämlich den letzten Kriegsmonaten 1945, stammen die „Metamorphosen für 23 Solostreicher“. Zu jener Zeit arbeitete […] mehr


Abo

Top