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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



Johann Sebastian Bachs Weimarer Jahre und die dort von ihm vollzogene Adaption des italienischen „Concerto“ als neue Gattung innerhalb seines eigenen Schaffens zählen zu den spannendsten Aspekten nicht nur in Bachs Biografie, sondern in der Musikgeschichte überhaupt. Staunenswert ist nämlich die Kreativität, mit der sich Bach in kurzer Zeit vom Kopisten und Bearbeiter der italienischen Vorbilder zum Schöpfer von etwas ganz Eigenständigem, Neuem vorarbeitete: Bachs eigene Concerti sind hinsichtlich ihrer formalen Anlage und der Verschachteltheit im Umgang mit dem Material bzw. mit der Solo-Tutti-Struktur den italienischen Vorbildern bald weit voraus – bzw., sofern man nicht werten will, sie sind Ergebnis einer anderen Schwerpunktsetzung. Bachs Kollege und Verwandter Johann Gottfried Walther und sein Schüler Johann Ernst von Sachsen-Weimar spielen in dem beschriebenen Prozess als Initiatoren und Diskussionspartner zweifellos eine wichtige Rolle. Partiell schwierig ist allerdings bis heute die Entschlüsselung der kompositorischen Vorgänge jener Zeit, denn fast alle Concerti sind nicht im Original, sondern in späteren Bearbeitungen (meist als Cembalo-Konzerte) überliefert. Im Programm dieses Albums finden sich in diesem Sinne auch zwei BWV-Nummern mit einem „r“: Das Konzert für drei Cembali wurde erfolgreich zurückgeführt auf eine mutmaßliche Version für drei Soloviolinen, und das Doppelkonzert in c-Moll BWV 1060 erklingt in der schon vertrauten rekonstruierten Version für Violine und Oboe als Concertino. Flankiert werden Bachs Stücke durch weitere Werke, die unter anderem die Handschrift seines Schülers, des Prinzen, tragen – oder umgekehrt als Arbeiten ebendieses Schülers die korrigierende Hand Bachs erahnen lassen. Auch hier bleibt die Quellenlage kompliziert … Aber all das ändert nichts an der Musizierlust, die diese Produktion ausstrahlt: Auf historischen Instrumenten gespielt, aber nirgends überhetzt im Tempo oder zirpend im Klang (auch das soll ja vorkommen), sondern trotz kleiner Besetzung mit einer bemerkenswerten Kraftfülle umgesetzt, die dennoch einer wünschenswerten Anmut und Eleganz nicht im Wege steht – Gernot Süßmuth pflegt mit seinem „Thüringer Bach Collegium“ zweifellos einen eigenen Bach-Interpretationsstil, den zu erleben und zu genießen sich lohnt.

Michael Wersin, 18.09.2021


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