Augustin Hadelich, 1984 im italienischen Cecina geborener Sohn deutscher Eltern, verfügt als Geiger über tonliche Süße, auch Süffigkeit und Lyrik, die im heutigen Betrieb die Ausnahme sind. Aufmerksamkeit fand der Solist, der sich als Jugendlicher bei einem Hausbrand schwere Gesichtsverletzungen zuzog, inzwischen auch durch Massenmedien, die sich für klassische Musiker sonst weniger interessieren.
Vergleiche sind bei Paganinis 24 Capricen kaum vermeidbar. Dabei wird rasch klar, dass Hadelich vom Aberwitz eines Itzhak Perlman oder dem Etüden-Wahnsinn eines Michael Rabin ebenso wenig wissen will wie vom orchestralen Schmelz eines Shlomo Mintz oder vom Primadonnentum des Ivry Gitlis. Wie fast alle Solisten heute, versucht auch Hadelich einen Mittelweg zu finden, der alle Ansprüche befriedigt und Fehlerlosigkeit mit scheinbarer Objektivität verbindet – als ob es das gäbe.
Der berühmten Nr. 9 („La chasse“) verleiht Hadelich ein Moment gesanglicher Unbedenklichkeit. Nr. 24 tschilpt und zwitschert wundersam. Die Nr. 18 rückt er unmissverständlich in Beethoven-Nähe. Bei Nr. 23 schreckt er vor elegischem Aufheulen nicht zurück, in Nr. 21 steigert das „Amoroso“ sich bis zum Schrei. Die Tempi sind eher besonnen, der Klang ist trotz allem golden und der Duktus ausgleichend. Dies folgt am ehesten der – offenbar stilbildenden – Aufnahme von Salvatore Accardo.
Wer bei den Jüngeren stöbert, wird von Tanja Becker-Bender eine vollblütigere, von Julia Fischer eine dynamisch feiner gesponnene Lesart finden. Der großartige James Ehnes ist virtuoser. Insgesamt darf in Gestalt von Augustin Hadelich durchaus auf einen fantastischen jungen Geiger hingewiesen werden. Die gravierende Nachbarschaft indes macht ihm zu schaffen.
Robert Fraunholzer, 13.01.2018
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