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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



Startseite · Interview · Gefragt

(c) Michael Reinicke

Julius Asal

Die Logik luzider Träume

Die Zeiten scheinen vorbei, in denen man als Pianist für ein Debüt bei einem Major-Label gefälligst ein klassisches Programm einzuspielen hat. Am besten Chopin. Vor bereits sieben Jahren überraschte der damalige Newcomer Víkingur Ólafsson den Klassik-Betrieb mit einer Debüt-Einspielung von Philip Glass’ Etüden. Ein Wagnis, das bekanntlich aufging. Von ähnlich originellem Geist zeigt sich nun der 27-jährige Julius Asal, der beim selben Label für sein Debüt ein seltsames Paar zusammendenkt, nämlich den Meister der barocken Miniatur-Sonaten Domenico Scarlatti und den mystischen Russen Alexander Skrjabin.
Asal wird schon jetzt als Ausnahmetalent gepriesen, der große Menahem Pressler, dessen Schüler er war, rätselte, „wie er zu seinem einzigartig sonoren Klang finden konnte. Das Instrument schien ihm ein Geheimnis zu erzählen.“ Im Zoom-Meeting wirkt Asal am Bildschirm jünger als er ist, unkompliziert und gar nicht wie ein Nerd, der auf Millimeterpapier komplizierte Programme austüftelt. Sein Nachname Asal spreche sich französisch aus, gibt er auf Nachfrage an, seine Eltern sind Berufsmusiker, sie ließen ihn ungestört am Klavier experimentieren. Schon als Kind improvisierte er und spielte nach Gehör nach, was er hörte: „Meine Eltern hatten das Gefühl, mit Unterricht etwas kaputt zu machen und haben mich einfach machen lassen. Selbst bei meinem ersten Wettbewerb konnte ich noch keine Noten lesen.“
Die neue Einspielung verschränkt nun Skrjabins Klaviersonate Nr. 1 in f-Moll, seine frühen Präludien und eine seiner Etüden aus op. 8 mit sechs Sonaten von Scarlatti. Und zwar äußerst raffiniert, denn die Passage „Quasi niente“ aus dem letzten Satz (Funèbre) von Skrjabins Klaviersonate fungiert sozusagen als Tor, setzt Auftakt und Schlusspunkt des Albums. Erwünscht ist ein Déjà-vu-Effekt.
Wie er auf diese seltsame Paarung gekommen sei? „Beide Komponisten haben so viele ausdrucksstarke Miniaturen für Tasteninstrumente geschrieben! Aber das Programm ist aus der Mitte heraus entstanden, die 1. Sonate von Skrjabin wird viel zu selten gespielt, aber ich liebe sie besonders, sie steht im Fokus. Alles andere gruppiert sich darum.“
Er habe immer gern und viel Scarlatti gespielt, zunächst als Zugaben, dann auch blockweise: „Scarlatti wird nicht unterschätzt, aber vielleicht zu beiläufig behandelt“, meint Asal. Als Brücken zwischen den Jahrhunderten und den emotionalen Temperaturen spielt er zwei eigene improvisatorische „Transitions“ als verbindende Elemente.
Als Referenz zu seinem Déjà-vu-Konzept nennt Asal Christopher Nolans Film „Inception“, der sich um luzide Träume dreht: „Es geht um eine Symmetrie von Realität und Imagination. Meine Idee war es, Motive und Themen vorwegzunehmen oder sie noch einmal zu zitieren, um ein Déjà-vu zu evozieren. In einem Traum ist alles möglich: Selbst scheinbar unterschiedliche Materialien aus verschiedenen Zeiten und mit unterschiedlicher Dichte können miteinander verschmelzen und eine neue Substanz schaffen, die es noch nie gegeben hat. So habe ich mich gefühlt, als ich die Musik von Skrjabin und Scarlatti aufgenommen habe.“

Neu erschienen:

Alexander Skrjabin, Domenico Scarlatti

„Skrjabin & Scarlatti“

Julius Asal

DG/Universal

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Der junge Pianist wagt eine tollkühne Verschränkung von Skrjabin mit Scarlatti und baut Brücken mit eigenen Improvisationen.

Regine Müller, 06.04.2024, RONDO Ausgabe 2 / 2024



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