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N° 1356
04. - 10.05.2024

nächste Aktualisierung
am 11.05.2024



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Laurie Rubin (c) Giorgos Kalkanidis

Da Capo

Athen (GR), Greek National Opera – Nadia Boulanger: „La ville morte“

Fatale Konstellation

Der Titel klingt wie ein Remake von Erich Wolfgang Korngolds „Die tote Stadt“, tatsächlich hat „La ville morte“ mit Korngold allenfalls die schwül lastende Grundstimmung gemein und lässt viel eher an Debussys „Pelléas et Mélisande“ denken. Nadia Boulanger komponierte „La ville morte“ in Zusammenarbeit mit ihrem Mentor Raoul Pugno, in der Greek National Opera (GNO) kam es nun zur griechischen Erstaufführung des Werks und zur weltweit dritten Produktion überhaupt, als Koproduktion der Athener Bühne mit New Yorker Ensemble Catapult Opera.
Die New Yorker beauftragten die Komponisten Joseph Stillwell und Stefan Cwik, das Werk mit Unterstützung von David Conte, einem der letzten Schützlinge Boulangers, für elf Instrumente neu zu instrumentieren. Am Pult steht in Athen Neal Goren, Regie führt Robin Guarino. Die ursprüngliche Länge des Werks wurde um eine Stunde reduziert und der Chor sowie eine Nebenrolle gestrichen.
Mit nur vier Rollen ist „La ville morte“ also eine ideale Kammeroper, allerdings keine leichte Kost. Schauplatz ist die griechische Stadt Mykene im späten 19. Jahrhundert: Léonard ist Archäologe und entdeckt Gräber, eine „tote Stadt“. Die blinde Anne glaubt zu wissen, dass ihr Mann Alexandre sie nicht mehr liebt, denn dieser ist in Annes enge Freundin Hebé vernarrt, was die Eifersucht ihres Bruders Léonard hervorruft, der inzestuöse Gefühle für seine Schwester hegt und gleichzeitig der beste Freund von Alexandre ist.
Eine fatale Konstellation, der Hebé schließlich zum Opfer fällt. Die Athener Inszenierung ist schnörkellos: Andromache Chalfant hat einen erhöhten hellen Kasten als Annes Haus auf die kleine Bühne der GNO gestellt, rechts sitzt das teilweise verdeckte Instrumentalensemble, ein riesiges weißes Tuch wird vielfältig eingesetzt, Regisseur Robin Guarino bewegt das Personal routiniert, das Vokalquartett meistert das oft mittellagig verharrende Parlando famos. Eine interessante Entdeckung eines Werks, das mit energischerem Regie-Zugriff noch merklich gewinnen dürfte.

Regine Müller, 17.02.2024, RONDO Ausgabe 1 / 2024



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