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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



Startseite · Oper & Konzert · Fanfare

Puccinis „Turandot“ am Teatro di San Carlo in Neapel (hier Yusif Eyvazov mit Ensemble) (c) Luciano Romano

Fanfare

Proben, Pleiten und Premieren

Höhepunkte in Oper und Konzert

Noch eine „Turandot“ gab es am Teatro di San Carlo in Neapel, inszeniert mit neuem Narrativ von Asmik Grigorians Exmann, dem aufstrebenden russischen Regisseur Vasily Barkhatov.
Wir sehen im filmischen Vorspiel Turandot und Kalaf als ein heutiges, sich auseinandergelebt habendes Paar, das bei einer Streiterei einen Autounfall verursacht. Kalaf liegt im Sterben und erlebt alles Folgende als phantasmagorische Nahtoderfahrung. In einer Kirchenruine wechseln sich die Perspektiven, zwischen merkwürdig wuselnden Bauern und Waldgeistern findet er seine Familie wieder, auch die Ex-Liebe Liù.
Immer wieder schwebt das Unfallauto aus dem Bühnenhimmel, auch ein ganzer OP-Saal. Personal fährt auf Schiffen hinein. Und weil am Ende ein weiteres Video enthüllt, dass der Unfallausgang nur eine Schreckensvision war, sind beide wieder glücklich. Dan Ettinger klangserviert gleißend schön, kalt und trotzdem berührend. Yusif Eyvazov sang ungewöhnlich lyrisch. Auch Sondra Radvanovsky hatte neben gleißenden Tönen verletzlich durchscheinende Momente. Rosa Feolas Liù war die Süße selbst.

„Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.“ So lautet eine der vielen, ewig gültigen Operettenphilosophien der „Fledermaus“. Also vergessen wir einfach, dass an der Bayerischen Staatsoper ab 1974 der „Fledermaus“-Olymp errichtet wurde, in Otto-Schenk-Möblierung, schon bei der Premiere verstaubt-altbacken, aber ein wunderbarer Hintergrund für noch wunderbar ältere Witzeleien. Und mit dem letzten Walzergott: Carlos Kleiber, das verzückte Publikum in Duidu-Delirien treibend.
Höchste Zeit also für einen neuerlichen Münchner Operetten-Höhenflug. Mit dem Bayerischen Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski und Barrie Kosky, australischer Renaissancefürst der Berliner Jazzoperette. Es sollte nicht sein. Der spannungsfroh erwartete Abend wurde eine Enttäuschung. Denn in der Annäherung an seine erste klassische Wiener Operette hat sich der Kosky nur in Klischees verfangen. Und es mangelt ihm an Tempo.
So beginnt es laientheaterhaft zur zackig taktierten Ouvertüre mit einem spießigen Fledermaus-Ballett vor dem Ehebett des Rentiers Eisenstein. Georg Nigl braucht zu lange, bis in ihm der entfesselte Glubschaugen-Bourgeois wütet. Diana Damrau will sich die Tralala-Divenrolle der Rosalinde mit schwerem Vokalkriegsgerät und einem schnarrenden Wien-Akzent erobern. Und bleibt doch ein tiefenlos-reifer Koloratursopran. Katharina Konradis Adele singt soubrettenblitzsauber, ohne Domestiken-Verschlamptheit. Viele Paradiesfedern durchwehen den queeren Ball des Prinz Orlowsky. Den kreischt ein mittelguter Countertenor (Andrew Watts). Und Jurowski taktiert zu exakt, alles ist blankgewienert, übergenau ausbuch­stabiert, fällt nie ­locker vom Operettenhocker.

Wir wechseln nach Regensburg. Dort macht 90 Jahre nach seiner Zürcher Uraufführung „Der Prinz von Schiras“ flimmernd-exotisch und auch handfest komisch Furore. Der regieführende Intendant Sebastian Ritschel, der schon Joseph Beers lange vernachlässigte, dabei so melodienüberdrehte „Polnische Hochzeit“ in Graz wiederbelebt hatte, holte nun den mit viel Notenrechercheglück wiederentdeckten Erstling des Lembergers erstmals nach Deutschland. Und die Oberpfalz kommt und klatscht.
Die gelungene Mischung aus „Anything Goes“-Schiffskapriolen, persischem Pseudoparfüm und pinken Pailletten-Cowboys erscheint als vierfach gepaarte Liebesgeschichte mit viel Tanz-Glamour und sanft queerem Einschlag. Und wird augenzwinkernd professionell mit viel Schwung wie Sentiment als jazzig klangglitzernde Geschenkpackung auch auf der Bühne serviert. Eine wunderbare Ensemble­leistung gelingt hier. „Ich brauche keinen Gin, weil ich so glücklich bin“, singen sie da, durchaus daseinsverloren. Auch wenn es nur zum fragwürdigen „Happy and …“ reicht.

Manuel Brug, 17.02.2024, RONDO Ausgabe 1 / 2024



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