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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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La Diane Française und Stéphanie-Marie Degand im Musée océanographique de Monaco (c) Alice Blangero

Printemps des Arts de Monte-Carlo

Die Kunst, den Frühling zu genießen

Die 40. Ausgabe des Mehrsparten-Festivals in Monte-Carlo untersucht an Varianten von Mahlers „Lied von der Erde“ das Verhältnis Mensch-Natur.

Diesen Winter haben uns Kälte, Eis und Schnee, überfrierende Kälte und das ewige Tagesgrau fester im Griff als sonst. Was also läge da näher, als der Jahreszeit ein Schnippchen zu schlagen, in die Sonne zu flüchten, den Frühling schon mal anderswo zu suchen?
Der moderne Mensch meint nicht selten, dann müssten es mindestens die Malediven sein, wo man nach einer Stunde die komplette Hotelressortinsel abgespeichert hat. Oder eben das glitzrige Dubai, wo man zwischen viel Beton und Sand und irrwitzig umweltschädlichen Kunstoasen auf dieselben Luxusmarken wie in Europa trifft. Kultur ist in diesem riesigen Kommerztempel hingegen nur ein sehr dünnes, oftmals fadenscheiniges Kaschmirmäntelchen, das man sich allzu hastig übergeworfen hat.
Warum es also nicht machen, wie unsere Vorfahren um die Jahrhundertwende? Damals haben die, die es sich leisten konnten, die Mandelbaumblüte und Mimosen an der sonnendurchtränken Côte d’Azur gesucht, wo die Hochsaison in der Winterjahreshälfte lag. Man genoss milde Entspannung und Heiterkeit, keiner wollte sich von der Sommerhitze zuknallen lassen. Heute ist Nizza als Hauptflughafen der Region nicht nur viel schneller und billiger zu erreichen als früher, gerade das sich musikalisch-künstlerisch auf die März wie Aprilwochenenden konzentrierende Festival Printemps des Arts möchte mit einem gehaltvoll geistigen Zusatzangebot neben Sonnenhungrigen auch Kulturinteressierte an diese Küsten locken.
2024 findet der Kunstfrühling von Monte-Carlo zum 40. Mal statt. Nach 39 Ausgaben bleibt das Festival dem treu, was es ausmacht: Die Kreation, die Begegnung zwischen den Künsten und die Wiederentdeckung von Werken, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, wie der Vergangenheit, die uns jeden Tag auf neue Weise herausfordern.
So beschreibt das in der aktuellen Programmbroschüre niemand geringeres als Ihre Königliche Hoheit, die Princesse de Hanovre, besser bekannt als Caroline Grimaldi, Fürstentochter von Monaco. Sie hat sich ein bis ins 19. Jahrhundert zurückreichendes Familienerbe zu eigen gemacht, das sich neben den von den Fürsten nach wie vor lukrativ betriebenen Geschäftszweigen Immobilienentwicklung und Casinobetrieb auch den schöngeistigeren Dingen widmet.

Der Mensch, der Wald, der Ozean

Von ihrer Mutter, Fürstin Gracia Patricia, hat sie nicht nur die Schirmherrschaft über das Philharmonische Orchester von Monte-Carlo unter seinem temperamentvollen Chefdirigenten Ruzan Mantashyan, der Oper sowie des im Geiste Serge Diaghilevs wiederbelebten Ballets von Monte-Carlo übernommen. In der von Charles Garnier entworfenen Vokalschmuckschatulle entfaltet sich übrigens bereits in der zweiten Saison Mezzosuperstar Cecilia Bartoli als Opernintendantin – auch das ein Besetzungscoup, dem die Gründung des Alte-Musik-Ensembles Les Musiciens du Prince-Monaco vorangegangen war, das unter Leitung von Gianluca Capuano im Namen des Fürstentums (und meist mit la Bartoli an vorderster Podiumsfront) die Konzertsäle der Welt bereist.
Beim Printemps wird In diesem Jahr ein Werk besonders gewürdigt, dessen zentrales Thema mehr denn je aktuell ist: „Das Lied von der Erde“. Von der Originalpartitur von Gustav Mahler bis zu einer Welturaufführung gleichen Namens von Laurent Cuniot auf denselben Text soll es eine kreative Odyssee werden, die unsere Beziehung zur Erde hinterfragt, zu unserer Umwelt und zum Kreislauf des Lebens.
Im Geist der Verbindung der Künste, der dem Festival so am Herzen liegt, wird die Fotografie den Blick der Besucher auf ganz ähnliche Themen lenken. Sebastião Salgado, der mit seinem Projekt „Genesis“ einen Liebesbrief an den Planeten geschrieben hat, macht klar, dass Kunst nicht nur aus der Schönheit des Lichts oder der Kraft eines Kontrasts besteht.
Bereits im dritten Jahr vom Komponisten Bruno Mantovani geleitet, präsentiert der 40. Printemps des Arts noch weitere Höhepunkte, die thematisch das Wechselspiel zwischen dem Individuum und der Gesundheit der Wälder oder dem Zustand der Ozeane beleuchten. Natur und Tierwelt stehen auch im Mittelpunkt der Konzerte der Amazing Keystone Big Band, die eine swingende Version des „Karnevals der Tiere“ von Camille Saint-Saëns mitbringen, des Quatuor Parisii, das Quartette von Joseph Haydn spielt, oder des Ensemble Unisoni, das in seinem Konzert ein musikalisches Bestiarium aus der Zeit zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert beschwört.
Drei Interpreten erhalten eine Carte Blanche: der Cellist Henri Demarquette, das Modigliani Quartet sowie Laurence Equilbey mit ihrem Insula orchestra. Die Pianistin Varduhi Yeritsyan wird einen Streifzug durch Robert Schumanns Werkkorpus machen, das Philharmonische Orchester von Monte-Carlo wird Orchesterwerke von Richard Strauss erkunden, und der Organist Karol Mossakowski wird die ersten und letzten Werke von Johannes Brahms in einem Recital vereinen, in dem auch die Jugend gefeiert wird. Drei Komponisten lassen sich von der Kunst Pier Paolo Calzolaris inspirieren.
Am ersten und am letzten Festivaltag werden zwei Requiem-Vertonungen aufgeführt. Zum einen eine von Johannes Ockeghem, die erste erhalten gebliebene, aufgeführt durch das Ensemble Gilles ­Binchois, das mit dem Saxo­fonisten Sandro Compagnon in Dialog tritt. Zum anderen das Requiem von Pierre de la Rue, interpretiert vom Ensemble Clément Janequin. Als Nachspiel zeigen der Printemps des Arts und die Oper von Monte-Carlo einen Abend namens „Duell der Genres“: Cecilia Bartoli und John Malkovich beschäftigen sich mit Nicola Porpora sowie seinen Schülern Farinelli und Caffarelli.
Der Geschmackssinn wird auch dieses Mal wieder bei einem Essen mit Musik angesprochen, bei dem mehrere Werke zu hören sind: Dabei treten die Musikstücke mit den Gerichten des Küchenchefs Yannick Alléno in Dialog. Und schließlich wird auch der Geruchssinn miteinbezogen – dank der Parfumdesignerin Clémence Besse, die den Printemps mitgestaltet. Sinnlich verspricht auch die Uraufführung der Oper „L’étoffe inépuisable du rêve“ zu werden, die von Sophie Lacaze nach einem Libretto von Alain Carré komponiert wurde. Das Kunstfestival von Monte-Carlo – das ist ein frühlingshaftes Angebot, sein intellektuelles Vergnügen und den Hörgenuss zu einer Einheit zu verschmelzen.

Weitere Informationen und Tickets:

www.printempsdesarts.mc

Manuel Brug, 24.02.2024, RONDO Ausgabe 1 / 2024



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