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N° 1355
27.04. - 04.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



Startseite · Oper & Konzert · Fanfare

Giuseppe Verdis „Aida“ in der Arena di Verona (hier: Burdenko, Netrebko, Ensemble) (c) Roman Burdenko

Fanfare

Proben, Pleiten und Premieren

Höhepunkte in Oper und Konzert

Die alte Aida kommt als letzte. 12 000 Menschen in dem antiken Oval erheben sich, als Sophia Loren in die Arena di Verona hineingeführt wird. Die einzige noch lebende Sirene des italienischen Nachkriegskinos schreitet gebeugt, sie strahlt aber immer noch Grandezza aus. Verdis äthiopische Opernheroine verkörperte sie 1953 in einer Filmproduktion, Renata Tebaldi lieh ihrem Körper damals die Engelsstimme. 88 ist La Loren inzwischen. Und seit 100 Spiel­zeiten wird, da wo vor 2000 Jahren Gladiatoren kämpften, Tiere gehetzt und Seeschlachten ausgetragen wurden, unter dem Himmel Nord­italiens Musiktheater als Volkspektakel in Szene gesetzt: bunt, bewegt und stets im XXL-Format.
Eröffnet wurde diese Jubiläumssaison – natürlich mit Giuseppe Verdis „Aida“, mit der hier 1913 alles begann (10 Spielzeiten fielen Kriegen und Corona zum Opfer). „Aida“, das ist eigentlich ein arenagemachtes Missverständnis mit Elefanten, Pferden, Fanfaren und Heerscharen von Statisten. Und doch war diese Oper für viele Millionen Menschen hier in den letzten 110 Jahren das erste und oft einzige Mal, wo sie mit Musiktheater in Berührung kamen.
Die neue „Aida“ von Stefano Poda ist weiß und laserfuturistisch, sieht „Star Wars“-gut aus, bringt die Steine zur Geltung. Anna Netrebko und Yusif Eyvazov sangen ebenfalls in XXL, Marco Armiliato dirigierte arenakonform. Also fast alles wie vor 110 Jahren.

So war es dann auch, wir sind inzwischen nach Oberfranken gereist, beim neuen, mit Spannung erwarteten „Augmented Reality“-Parsifal von Jay Scheib bei den Bayreuther Festspielen.
Da erblickt man, hat man sich an die Minicomputerbrillen gewöhnt, plötzlich eine Art zweite Bühne. So gibt es im Dunkel sich dehnenden Zuschauerraum links und rechts, oben und unten, man muss freilich den Kopf immer schön kreiseln lassen, allerhand zu entdecken: auf zweimal 180 Grad Betrachtungswinkel.
Da fliegen Gralstauben und im Kreis ein bluttriefend getroffener Schwan. Da gibt es tanzende Glühwürmchen zum in sanften Motivwellen aufsteigenden Vorspiel. Dieses tönt nicht nur unter dem präzise voranschreitenden Hügelgrabendebütanten Pablo Heras-Casado leise und betörend, voller Anziehungskraft. Es wird durch die virtuellen Bilder aus dem Computer noch transzendenter, weitet schon hier den Raum eben auch zur Zeit.
Dazu kommt eine brave-umweltfreundliche „Parsifal“-Umsetzung auf der Bühne, aber eben mit Elīna Garanča, Andreas Schager und Georg Zeppenfeld auch eine Traumbesetzung. Der Jubel war groß, und die Brilleninhalte werden sich sicher noch weiterentwickeln.

Wir folgten dann der Kundry alias Garanča weiter nach Mallorca. Da hat sie nämlich das Kostüm gewechselt und gab die sizilianische Bäuerin Santuzza aus Mascagnis „Cavalleria rusticana“ in einem Luxushotel – outdoor und mit viel Mezzo-Temperament. Ein Hotel veranstaltet ein Musikfestival. Ballermann und Belcanto, geht das? Nun ist die Insel ja nicht nur die Schinkenstraße und es gab auf der Baleareninsel schon einige Festivalversuche.
Seit zehn Jahren gibt es auf einer Halbinsel in der Bucht von Palma das Luxushotel Cap Rocat. Eingebettet liegt es in einem ehemaligen Fort aus dem 19. Jahrhundert, der Architekt und Designer Antonio Obrador hat aus den Kasematten 30 Hotelsuiten gezaubert – für Ruhe und totale Privatheit.
Obrador wollte hier immer auch ein Musikfestival. Er kannte Pablo Mielgo, den Chefdirigenten des lokalen Sinfonieorchesters der Balearen, der wiederum Ilias Tzempetonidis, der als Besetzungschef des Teatro San Carlo natürlich über die Kontakte verfügt. Und so konnte man on top einsteigen. In der „Cavalleria“ sangen vor 600 begeisterten Zuschauern auch Michael Fabiano (Turiddu-Debüt), Luca Salsi und Maria Agresta. Am nächsten Abend spielte vor 260 gebannten Zuhörern Arcadi Volodos traumschön Mompou, Liszt und Skrjabin. Schließlich gab es noch eine Operngala mit Nadine Sierra und Francesco Demuro. So macht Sommerklassik Spaß!

Manuel Brug, 16.09.2023, RONDO Ausgabe 4 / 2023



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