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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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(c) Warner

Renaud Capuçon

Fließen lassen

Als Teil seiner Mozart-Hommage hat der Violinist nun mit dem Kammerorchester Lausanne die Violinkonzerte eingespielt.

Noch eine Neueinspielung von Mozarts Violinkonzerten? Erst kürzlich legte Gottfried von der Goltz mit dem Freiburger Barockorchester und Kristian Bezuidenhout die Konzerte drei bis fünf vor und auch Christoph Koncz’ Gesamteinspielung auf der originalen Mozart-Geige liegt noch keine drei Jahre zurück. Ja, noch eine Neueinspielung von Mozarts Violinkonzerten! Denn erstens kann man von diesen Wunderwerken gar nicht genug ambitionierte Einspielungen haben, zweites gehören die Konzerte zum Kanon jedes Geigers und drittens werden sie im Konzertsaal eher selten gegeben. Renaud Capuçon erreiche ich am Telefon, auf die Frage nach der Bedeutung Mozarts in seinem Musikerleben seufzt er laut auf. Klar, eigentlich eine doofe Frage.
Aber eigentlich auch wieder nicht, gab es doch unter bedeutenden Musikern auch Mozart-Hasser, wie etwa Glenn Gould. Capuçon gehört jedenfalls nicht dazu: „Mozart ist Teil meines Lebens, seit ich zehn oder elf Jahre alt bin. Zuallererst versuchte ich, das G-Dur-Konzert Nr. 3 zu spielen und ich war sehr, sehr stolz, ein richtig berühmtes Violinkonzert zu spielen. Ich hatte eine Vinyl-Platte zuhause mit Arthur Grumiaux und dem London Symphony Orchestra. Zusammen mit Grumiaux war es das erste Mal, dass ich es wirklich spielen konnte. Aber im Ernst, ich habe diese Konzerte eigentlich immer gespielt. Das letzte Konzert, das ich ins Repertoire übernommen habe, ist das Konzert Nr. 5. Wir Geiger können uns wirklich glücklich schätzen, dass wir von diesem Komponisten fünf Konzerte haben!“
Dass Capuçon sich an Klassikern wie Grumiaux orientiert, verwundert nicht, wenn man sein körperreiches, elegantes Spiel und seinen energischen, kraftvollen Strich hört. Die Pioniere der historischen Aufführungspraxis schätzt er allerdings nicht geringer. „Natürlich! Erinnern Sie sich an die Aufnahme von Gidon Kremer und Nikolaus Harnoncourt mit den Wiener Philharmonikern? War das Ende der 1980er Jahre? Das war so etwas wie eine Revolution! Und was für eine fantastische Aufnahme! Aber heute klingt das natürlich nicht mehr revolutionär, weil wir alle davon gelernt haben. Und wenn man jetzt wieder Grumiaux hört aus den 1960er Jahren? Es bleibt ein Klassiker!“
Es gibt Musiker, die behaupten, dass Mozart für Erwachsene zu schwer und für Kinder zu leicht ist. Capuçon würde in Teilen zustimmen: „Ich denke generell: Mozart scheint leichter zu sein, wenn du sehr jung bist.“ Generell versucht er sich an einer gewissen Unbefangenheit mit dem schweren, leichten Mozart. „Aber manchmal gilt: Man sollte nicht zu viel denken. Denken ist gut, aber am Ende: Vergiss einfach alles und lass es fließen.“
Mit der Saison 2021/22 hat Renaud Capuçon die künstlerische Leitung des Kammerorchesters Lausanne angetreten; nun legen die Violinkonzerte Zeugnis ab von der gereiften Beziehung zwischen ihm und dem Orchester, dessen Leitung er auch hier übernimmt. Das parallele Dirigat betrachtet er eher als Chance denn als Risiko. „Es ist so sogar viel leichter! Zumal ich schon lange mit dem Orchestre de Chambre de Lausanne zusammenarbeite, ein fantastisches Orchester mit großer Mozart-Erfahrung. Wir haben zusammen auch schon viel Mozart gespielt. Tatsächlich gibt mir diese Situation als Geiger viel mehr Freiheit, weil du sozusagen im Zentrum dessen stehst, was du tun willst. Überhaupt hast du sehr viel Freiheit in dieser Konstellation.“

Neu erschienen:

Wolfgang Amadeus Mozart

Die Violinkonzerte

Renaud Capuçon, Kammerorchester Lausanne

DG/Universal

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Regine Müller, 02.09.2023, RONDO Ausgabe 4 / 2023



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