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Will sich nach dem 70. Geburtstag neu sortieren: Mattias Rüegg © Claus Peuckert
RONDO: Wie kam es, dass Sie ein Faible für die Kunstlieder vom Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt haben?
Matthias Rüegg: Klassik hatte mich immer interessiert. Wie ich 18 war, habe ich mit meiner Rockband die Kinderszenen von Schumann, die ich im Unterricht üben musste, in Rock umgesetzt. Die Idee der Beschäftigung mit Klassik ist also sehr alt.
Dass ich jetzt selbst Kunstlieder schreibe, ist die Konsequenz aus vier Kunstliedalben, die ich mit Lia Pale gemacht habe. Danach habe ich mir gedacht, man soll mir nicht vorwerfen können, dass ich nur Themen klaue und arrangiere. Also schreibe ich die Themen selbst. Das war natürlich eine Herausforderung.
Sie hatten sich für das Vienna Art Orchestra mit Platten wie „The Minimalism Of Eric Satie“, „All That Strauss“ oder dem „European Songbook“ mit der sogenannt „klassischen“ Musik beschäftigt. Worin besteht der Unterschied, wenn Sie einen europäischen Klassiker bearbeiten oder Musik der amerikanischen Jazzkomponisten Duke Ellington oder Jelly Roll Morton?
Jedes Arrangement ist eine andere Herausforderung. Ich versuche, das originale Stück so zu verändern, dass es nachher für mich oder für das Orchester passt.
Man redet in letzter Zeit viel über kulturelle Aneignung.
Ach bitte! Das nicht. Ich warte schon darauf, dass der Jazz nur noch von Schwarzen gespielt werden darf. Wissen Sie, warum das nie passieren wird? Weil sich die Schwarzen schlicht und einfach nicht für Jazz interessieren. Das ist eine ganz kleine, gebildete, elitäre Minderheit. Das große schwarze Publikum ist in den 60ern beim Jazz ausgestiegen. In der Geschichte haben schwarze und weiße Musiker immer zusammengearbeitet. Den Rassismus, den es in der Gesellschaft gegeben hat, gab es unter Musikern nicht.
Sie haben das Vienna Art Orchestra 2010 aufgelöst. Hat es sehr wehgetan?
Ich hatte die Zeichen der Zeit richtig erkannt und gewusst: wenn ich weiter mache, dann wird das nichts mehr. Und auf dem sinkenden Schiff wollte ich nicht als Kapitän untergehen.
Und jetzt das blaue Klavier. Mit Ausnahme weniger Titel arbeiten sie konsequent im Idiom des späten 19. Jahrhunderts. Werden Sie in diese Richtung weiterarbeiten?
Nein. Das ist meine letzte Arbeit. Ich werde keine eigenen Projekte mehr machen.
Warum nicht?
Mit einem Wort: Ich werde nicht mehr betteln. Aus. Das Betteln ist per se demütigend. Wenn man älter wird, wird das noch demütigender. In den Richtlinien für Zuschüsse sind Leute wie ich nicht vorgesehen. Seit es Spotify gibt, ist die Musik eine wertlose Ware geworden.
Das hört sich sehr resignativ an.
Resignativ? Jein. Ich habe 60 CDs gemacht. Ich habe die beste aller Zeiten erlebt. Ich habe genau im richtigen Moment gelebt. Das war fantastisch.
Sie wurden am 8. Dezember 70 Jahre alt. Was haben Sie sich gewünscht? Haben Sie Hoffnungen, Ideen?
Ja und nein. Jetzt muss ich erst mal alles auf mich einwirken lassen. Ich habe 40 Jahre sehr intensiv gearbeitet. Jetzt lasse ich ein bisschen los, und dann schaue ich, wie ich mich in den nächsten Jahren beschäftigen werde. Wenn ein Auftrag kommt, ist alles sofort wieder anders.
Dann sind Sie wieder voll da und geben Gas?
Genau.
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