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27.04. - 07.05.2024

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am 04.05.2024



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Mit dem Praemium Imperiale ausgezeichnet: Pianist Krystian Zimerman © Mark Allan/DG

Pasticcio

Klasse statt Masse

Natürlich gibt es sie immer noch – die Talentscouts, die sofort zuschnappen, wenn ein junger Pianist, eine junge Pianistin sich bei einem renommierten Klavierwettbewerb durchgeboxt haben. Und bisweilen erhält dann der charismatische Sieger sogar einen Exklusivvertrag bei einem der ganz großen Labels. Doch die Zeiten sind vorbei, dass ein gerade mal zwanzigjähriger Newcomer sich deshalb gleich einen Dirigenten aus der absoluten Top-Klasse rauspicken darf, um mit ihm Chopins Klavierkonzerte einzuspielen. Krystian Zimerman aber durfte das. Als ihm Mitte der siebziger Jahre als frisch dekoriertem Sieger des Warschauer Chopin-Wettbewerbs die Geschäftsleitung eines Schallplattenprimus eine Liste mit Dirigentennamen vorlegte, hatte Zimerman die Qual die Wahl – und zwar zwischen Herbert von Karajan, Leonard Bernstein und Carlo Maria Giulini. Der Pole entschied sich für den Italiener. Und mit Giulini legte Zimerman den Grundstein für eine Schallplattenkarriere, bei der bis heute Klasse statt Masse zählt. Denn statt Jahr für Jahr den Berg an Einspielungen anwachsen zu lassen und damit auch so manch musikalische Schnellschüsse in Kauf zu nehmen, kann Zimerman eine eher übersichtliche Diskographie vorlegen, bei der jede Aufnahme quasi ein Volltreffer ist. Das gilt für seinen Schubert genauso wie für die Debussy-„Préludes“. Mit Leonard Bernstein und Simon Rattle sind Zimerman Sternstunden bei Brahms und Beethoven gelungen. Und gerade erst hat er seinem polnischen Landsmann Karol Szymanowski ein Solo-Album gewidmet, auf dem wieder seine enorme Anschlagspalette zu bestaunen ist.
Für dieses Qualitätslevel wird Zimerman, der schon lange in Basel lebt und lehrt, vom Publikum wie von Musikerkollegen zu Recht gefeiert. Nun erhält der 65-jährige Feingeist mit dem japanischen „Praemium Imperiale“ nicht nur einen der bedeutendsten Kulturpreise überhaupt, sondern wie die anderen Preisträger à la Wim Wenders auch einen Scheck über rund 110.000 Euro. Große Kunst zahlt sich eben immer irgendwann aus.

Guido Fischer



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