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RONDO: Sie sind auf der Durchreise?
Bruno Weil: Ja, schrecklich, von Kanada hierhin in meine geliebte Wahlheimat, morgen dann weiter nach Wien. Ich hasse diesen Jet-Set. Aber er gehört dazu.
RONDO: Ihr Karrierebeginn 1980 – als jüngster GMD in Augsburg – ist untrennbar mit dem Namen Ihres Förderers Karajan verknüpft. Das lässt vermuten, dass Sie damals noch kein Experte für historische Aufführungspraxis waren.
Weil: Dann hätte mir Karajan wohl kein Empfehlungsschreiben für die Bewerbung mitgegeben! Ich war allerdings – und das war für Karajan überhaupt kein Problem – in Wien als Schüler von Hans Swarowsky – wie übrigens auch Harnoncourt, der das gerne verschweigt – schon stark infiziert von der ›historischen‹ Idee. Aber als GMD darf man natürlich kein Spezialist sein, und so verdanke ich Karajan die Grundlagen meiner Karriere: »Sie müssen«, sagte er zu mir, »in die Provinz gehen und einmal das ganze Repertoire rauf und runter dirigieren, um das Handwerk zu lernen. Vor 50 ist man sowieso kein Dirigent!«
RONDO: Das ist heute wohl anders, erst recht bei Label-Managern, die nur noch auf junge Gesichter setzen.
Weil: Ja, da bin ich wohl ein Unzeitgemäßer. Aber ich weiß natürlich, dass ich meine Aufnahmen zum Teil auch den Pop-Erfolgen eines Michael Jackson verdanke.
RONDO: Ihr Name steht quasi für Wiener Klassik.
Weil: Auch hier war Swarowsky prägend. Für ihn ist die Wiener Klassik der Höhepunkt der abendländischen Musikgeschichte. In der Tat: Was hätte beispielsweise die späten Streichquartette Beethovens noch überhöhen sollen? Nichts beglückt mich mehr als die Wiener Klassik.
RONDO: Und Barockmusik – gerade für einen ›Historisten‹ doch ein dankbares Feld?
Weil: Nicht für mich. Barockmusik kennt keinen Dirigenten. Bei einem Brandenburgischen Konzert stört ein Dirigent einfach nur. Die Barockspieler selbst waren damals – und sind heute wieder – absolute stilistische Experten, denen der Dirigent nichts zu sagen hat. Taktschlagen nützt bei Barockmusik ja nichts, es gibt keine Tempowechsel, allenfalls Temporelationen. Erst Beethoven verlangt den Dirigenten. Das einzige, was ein ›barocker‹ Dirigent tun kann, ist das Zeichnen einer Phrase und die Verdeutlichung rhetorischer Momente.
RONDO: Bei chorsinfonischen Werken halten sie unbedingt am Tölzer Knabenchor fest – während andere ›historische‹ Kollegen längst von Knaben abgerückt sind.
Weil: Wir haben eine jahrelange vertrauensvolle Zusammenarbeit aufgebaut, vor allem beim Klang & Raum-Festival in Irsee, das jetzt im Sommer leider zum letzten Mal stattfindet. Und: Der Tölzer Knabenchor ist der einzige, der auch die (Knaben-)Solisten stellen kann. Wir kommen also ohne Frauenstimmen aus.
RONDO: Ihr Beethoven-Zyklus wächst heran, jetzt war die Neunte dran.
Weil: Diese dann – historisch korrekt – natürlich mit gemischtem Chor. Und nach den Faksimiles, mit originalen Metronomzahlen. Das zeigt, wie Swarowsky gesagt hat, dass Beethoven die Musik unbequem gemacht hat. Bei ihm muss man an die Grenzen gehen – volles Risiko. Gerade mit historischen Instrumenten zeigt sich dies.
RONDO: Stichwort Irsee. Warum wird das Festival beendet?
Weil: Ein derart auf Idealismus gegründetes Festival bedarf immer der Unterstützung der öffentlichen Hand. Die Bezirksregierung gibt sich da nach 18 Jahren und dem Ausscheiden des Leiters vor Ort zugeknöpft. Wenn ich 400 Milliarden Euro Verteidigungsetat habe, kann ich doch nicht behaupten, die Kultur müsse sparen! Da lache ich doch nur – wenn es nicht so traurig wäre. Aber ich bin von Natur aus Optimist. Ich glaube an das Gute. Trotz allem.
Christoph Braun, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 3 / 2011
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