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N° 1356
04. - 11.05.2024

nächste Aktualisierung
am 11.05.2024



Startseite · Oper & Konzert · Café Imperial

Puccini: „Tosca“, Theater an der Wien (hier: Jonathan Tetelman) (c) Monika Rittershaus

Café Imperial

Unser Stammgast im Wiener Musiker-Wohnzimmer:

Die Karriere des Opernregisseurs Martin Kušej hat sich qualitativ, sagen wir mal: beruhigt. Nicht mehr so ganz viel los. Und was konnte der Mann nicht alles! Man erinnere sich an Schrekers „Die Gezeichneten“ (Stuttgart 2002) oder Dvořáks „Rusalka“ (München 2010). Seine „Tosca“ am Theater an der Wien ist nur eines noch: ‚innenpolitisch’ zu erklären. Kušej ist Burgtheater-Direktor. Im ewigen Eis eines Caspar David Friedrich-Bühnen­bildes (samt einsamem Baum) wird ein Blut-Märchen aus Folter, Religions-Drangsal und Doppel-Exekution erzählt. Plakativ, da mag Kušej noch so sehr darüber schwadronieren, dass man die Werke „dekonstruieren“ müsse. (Alter Hut!) Kristīne Opolais ist eine kühle Tosca, Jonathan Tetelman kein schlechtes Jonas Kaufmann-Lichtdouble – und auch als Cavaradossi sehr passabel. Gábor Bretz schließlich macht als Scarpia mehr Eindruck als das RSO Wien mit Puccini. Die Farbpalette des Orchesters: zu dürftig, auch wenn Marc Albrecht analytisch dirigiert. Die uralte Staatsopern-„Tosca“ zu stürzen, erweist sich als zäher Job. Oder haben wir dort einfach zu viele große Sänger schön sterben sehen...?

Im Café Imperial, dem Nobel-Kaffeehaus an der Ringstraße, bleiben wir heute so lange sitzen wie möglich. Wir warten. Nur worauf? Dass Gustav Mahler zurückkehrt, der hier Stammgast war?! Bloß nicht hetzen, so lautet eine der wesentlichsten Ansagen und Maximen in Dingen der Kunst. „Geduld! Geduld!!“, so schworen sich die Schauspieler Gert Voss und Ignaz Kirchner jedes Mal zu, bevor sie im Burgtheater auf die Bühne gingen. (Besser eine Pointe fallen lassen, so sagten sie sich, als drüber weg zu hudeln.) Swjatoslaw Richter und einige große Pianisten spielten grundsätzlich aus Noten, um den drohenden Schweinsgalopp zu vermeiden. (Wer nicht weiter weiß, wird schneller!) Selbst Daniel Barenboim ist inzwischen von seiner hurtigen Devise abgewichen, an sechs Tagen pro Woche zu dirigieren, um am siebten einen Klavierabend zu geben. Sie alle machen halblang. Wir auch.

Wir hoffen auf Janáčeks neue „Jenůfa“, mit der das Theater an der Wien erneut Amtshilfe erhält (s.o.) – diesmal von der neuen, dieses Jahr startenden Volksopern-Intendantin Lotte de Beer (und Nina Stemme als Küsterin, ab 16.2.). Daselbst, an der Volksoper, geht noch rasch ein neuer „Cage aux folles“ („Ein Käfig voller Narren“) an den Start – mit Ex-Quasimodo Drew Sarich als Zaza (ab 20.3.). Am interessantesten: der neue „Wozzeck“, inszeniert von Simon Stone an der Staatsoper, mit Christian Gerhaher in der Titelrolle (ab 21.3.). Im Musikverein zeigt Kirill Petrenko die zurzeit formidabel aufgelegten Berliner Philharmoniker vor (15./16.2.), Semyon Bychkov die Tschechische Philharmonie (3./4., 6.3.). Teodor Currentzis dirigiert Beethovens Neunte (22.2.). Evgeny Kissin spielt sein aktuelles Solo-Programm (17.2.) sowie im Doppel mit András Schiff (10.3.). Zu den Wiener Symphonikern hat man sich Philippe Herreweghe eingeladen (13.3.), ebenso Joana Mallwitz (23./24.3.). Im Wiener Konzerthaus, inmitten eines aus allen Nähten platzenden Programms, schauen die legendären Tallis Scholars vorbei (17.2.) und das Gabrieli Consort (2.3.). Oksana Lyniv dirigiert Dvořáks Requiem (23.2.). Grigory Sokolov spielt Schumanns „Kreisleriana“ (13.3.). Für Melomanen gibt es Pretty Yende und Nadine Sierra im Doppel (Duette von Händel bis Bernstein, 3.3.) sowie Joyce DiDonato (20.3.). Auch nicht übel: Jazz-Twink Jamie Cullum (22./23.3.). Ober, bitte zahlen!

Robert Fraunholzer, 12.02.2022, RONDO Ausgabe 1 / 2022



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