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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

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am 27.04.2024



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Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Countertenor Philippe Jaroussky braucht eine Pause. „Nach ‚Artaserse’ in Köln ist erst einmal Schluss“, sagte er bei einem Interview in Frankreich. „Für acht Monate. Ich bin stets voller Zweifel, und die sind mit den Jahren nicht weniger geworden“, so Jaroussky. „Das ist auch ein Grund dafür, dass ich niemals die Firma oder die Agentur gewechselt habe.“ Er unterschätze die Risiken der geplanten Auszeit nicht. „Einige werden sagen: ‚Er hat seine Stimme verloren!‘, aber das ist mir egal. Ich muss nachdenken und will damit nicht solange warten, bis sich Probleme auf meiner Stimme zeigen.“
Menahem Pressler (88), legendärer Mitbegründer des Beaux Arts Trio, hält von heutigen Nachfolgern nicht viel. „Die jungen Trios sind alle nicht gut!“, sagte er bei seiner Wiedereinbürgerung in Berlin. Ihm selber habe in den Anfangsjahren der erste Geiger des Beaux Arts Trios, Daniel Guilet, eingeheizt. „‚Du lässt Steine regnen statt Regentropfen’, belehrte er mich. Das wirkte. Mein Geheimnis war, dass ich als Pianist mit den Augen immer bei den Streichern war – nie bei mir“, so Pressler. In Verbier debütierte er kürzlich als Begleiter der „Winterreise“ mit Christoph Prégardien. „Ich muss auftreten“, so Pressler über die Tatsache, dass er nicht aufhören kann.
Miloš Karadaglić, aufstrebender Gitarrist aus Montenegro, wundert sich über schlechtaussehende Vorgänger seines Instruments. „Es stimmt schon: Julian Bream oder Narciso Yepes sahen nicht unbedingt aus wie Models, aber darauf kommt es ja auch nicht an.“ Auch die Tatsache, dass manche klassischen Gitarren- Karrieren im Alkohol versanken, habe zum zeitweisen Verschwinden der Gitarre beigetragen. „Als ich anfing Gitarre zu spielen, gab es zuhause in Podgorica nicht einmal Lehrer für mein Instrument. Mein Lehrer war eigentlich Trompeter.“ All das soll sich nun ändern. Unbestritten gilt, dass Miloš der bislang bestaussehendste Gitarrist der Zunft ist.
Der französische Pianist Alexandre Tharaud hält französisches Essen für einen Schlüssel zur französischen Musik. „Wenn ich Meisterklassen gebe, rede ich viel über französische Küche. Und esse viel. Bedenken Sie, dass Satie, Poulenc, Debussy und Chabrier nicht nur bedeutende Komponisten, sondern vor allem große Bonvivants waren!“ Ravel habe das Nachtleben, die Clubs und den Jazz geliebt, so Tharaud in Paris, wo er jüngst ein Album über das Cabaret „Le boeuf sur le toit“ veröffentlicht hat. Hier verkehrten in den 20er Jahren die Pariser Musikwelt sowie Marcel Proust und Charlie Chaplin. Tharauds Rolle in „Amour“, dem neuen Film von Michael Haneke, erlangte er, so Tharaud, durch regelrechtes Casting. „Haneke wollte einen gehemmten Klavierschüler zeigen.“ Das einzige Problem der Dreharbeiten habe darin bestanden, gegenüber seinen Film-Partnern Jean-Louis Trintignant und Emmanuelle Riva die Nerven zu behalten. „Ich lag am Boden – wegen dieser Monster-Persönlichkeiten!“, so Tharaud.
Ein Konzert des Arditti Quartettes im Wiener Konzerthaus musste abgebrochen werden, weil im Saal nebenan ein Auftritt von Herbert Grönemeyer zu geräuschvoll über die Bühne ging. Das Publikum der Konzertreihe „Wien Modern“ wurde nach der Pause nach Hause geschickt, weil man Teile von Luigi Nonos Streichquartett „Fragmente – Stille, an Diotima“ nicht mehr hatte hören können. Die Zuhörer erhielten ein Gratisgetränk und das Eintrittsgeld zurück.
Der in Los Angeles lebende Jean-Yves Thibaudet ist nicht nur der einzige Pianist, der sich die Haare blondiert. Er glaubt auch daran. „Ich mache das erst seit 15 Jahren. Unser Problem in der Klassik ist nie die Musik. Nur der Auftritt. Und das altbackene Image, das wir vor uns hertragen.“ Dem wolle er durch Haarschnitt, Jeans und Designer-Klamotten entgegenwirken. „Früher entwarf Gianni Versace, danach Thierry Mugler Kleidung für mich. Heute Vivienne Westwood. Sie ist ein großer Klassik-Fan“, so Thibaudet bei einem Gespräch in der Schweiz. Pianist Lang Lang hat sich seine Hände neu versichern lassen. Sie sind jetzt 40 Millionen Dollar wert. Im Invaliditätsfall.

Robert Fraunholzer, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 6 / 2012



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