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Mit 53 befindet sich Al Di Meola in jener glücklichen künstlerischen Phase, in der er, mit sich im Reinen, auf eine beispiellose Karriere zurückblicken kann. Gleichzeitig aber drängt es ihn danach, aus einem abgeklärten Selbstverständnis heraus Neues zu schaffen. Den Zuhörer im Herzen zu erreichen, hat für ihn dabei eine zentrale Bedeutung angenommen. Dabei hat ihn seine späte Freundschaft mit dem Komponisten und Bandoneonvirtuosen Astor Piazzolla zutiefst geprägt. Von Piazzolla, der wie Al Di Meola in einer süditalienischen Familie in New York aufgewachsen ist, bevor er mit ihr als Jugendlicher wieder ins ursprüngliche Auswandererland Argentinien zurückkehrte, hat er gelernt, dass in der Musik komplexe technische Herausforderung und die Möglichkeit, den Zuhörer zu rühren, kein Widerspruch sein müssen. Das Interesse Di Meolas an Piazzolla, der seinerseits den Kontakt zu dem Gitarristen suchte, erwachte bezeichnenderweise, als beide 1984 in Japan tourten und Gary Burton – damals unterwegs mit dem Bandoneonspieler – Al Di Meola anvertraute, dass Piazzollas Musik das Schwierigste sei, was er bisher zu spielen gehabt habe.
»Von da an habe ich mich für Astors Musik interessiert«, erinnert sich Al Di Meola, »und als ich mit ihm zusammenkam, spürte ich: Wir gehören zur selben Familie. Er erklärte mir, dass der Tango auf die gleichen Wurzeln wie die neapolitanische Oper mit ihren großen Gefühlen zurückgehe, also auf die Musik, die ich als Kind unbewusst eingesogen hatte. Astor bestärkte mich auch darin, dass das Kompositorische der Schlüssel dazu ist, den Hörer zu fesseln. Es reicht eben nicht aus, nur ein hervorragender Instrumentalist zu sein.« Dem Komponisten Piazzolla hat Al Di Meola jetzt mit seiner neuesten CD ein ebenso bewegendes wie bezauberndes Denkmal gesetzt. Der Gitarrist interpretiert da in eigenen Arrangements acht Kompositionen seines Freundes.
Auch wenn sich Al Di Meola heute immer mehr als Komponist sieht, der den weltmusikalischen Aspekt betont, ist er doch immer noch der Musikant, der auf die Erwartungen seiner Fans reagiert. Als er beim Jubiläum seines E-Gitarren-Ausrüsters nach langer Zeit wieder elektrisch spielte, jubelten die Fans. »Ich hatte gleich wieder ein Heimatgefühl auf diesem Instrument, alle standen darauf, und ich schätze die lyrischen Möglichkeiten, die der Sustain erlaubt.« Und so hatte Di Meola, als er im letzten Jahr auf Tournee ging, auch seine E-Gitarre im Gepäck. Von seinem Auftritt in Leverkusen hat der WDR einen sensibel fotografierten TV-Mitschnitt produziert, der jetzt ebenfalls erschienen ist.
Hier wird ein anderes Charakteristikum von Di Meolas Musik deutlich. »Mich interessieren besonders die rhythmischen Variationsmöglichkeiten. Das Gefühl für Rhythmus steckt in den Genen, das kann man nicht erwerben. Rund 90 Prozent der Musiker haben diese Gabe nicht. Doch wenn der Rhythmus auch nur um Haaresbreite vom zentralen Puls abweicht, geht die hypnotische Magie verloren.« Bei Al Di Meola stimmt sie, diese Magie.
Thomas Fitterling, 12.07.2014, RONDO Ausgabe 5 / 2007
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