Hyperion/Note 1 CDA68111
(64 Min., 5/2015)
Für seine reißerisch beworbene, interpretatorisch aber misslungene h-Moll-Messe waren Jonathan Cohen und sein Ensemble Arcangelo 2014 zu schelten gewesen. Die vorliegende CD mit Alt-Solokantaten legt nun den Schluss nahe, dass es sich seinerzeit um einen Ausreißer handelte: Hier jedenfalls beweist Cohens Orchester ein sehr gutes Gespür für Bachs Partituren, die mit großer Eleganz und Klangsinnlichkeit umgesetzt werden. In BWV 170 etwa begeistern schon die Ritornelli der ersten Arie, deren Musik – ein schönes Detail! – im Continuo zusätzlich von einem Chitarrone charmant umspielt wird. In der finalen Arie überzeugt auch Organist Mark Williams durch sein gewandtes obligates Solospiel. Und in „Schlummert ein“ aus BWV 82 erfreuen die Musiker durch das ausgewogene Miteinander des Streichsatzes, das auch die Mittelstimmen besser als sonst oft zu hören zur Geltung bringt.
Weil’s so schön ist, spielt man im Anschluss auch noch die „Sinfonia“ der Kantate BWV 52, die substantiell nichts Anderes ist als der erste Satz des „Ersten Brandenburgischen“, den Bach – wie manche andere frühe Concerto-Sätze – 1726 in Leipzig wiederverwendete. Danach bekommen wir noch BWV 54 („Widerstehe doch der Sünde“) und die Alt-Version von BWV 82 („Ich habe genug“) zu hören.
Das Ganze ist freilich vor allem für den Altisten ein Traum-Programm: Der britische Countertenor Iestyn Davies bringt denn auch die richtige Stimme für diese wundervolle Musik mit. Für die wegen ihrer tiefen Lage berüchtigte Eingangsarie von BWV 54 hat er die nötige Register-Überblendungskunstfertigkeit parat, und gleichzeitig mangelt es ihm nicht an Schmelz für den Kopfsatz von BWV 170. Allerdings wäre in puncto deutsche Sprache noch die eine oder andere Coaching-Lektion sinnvoll gewesen: Immer wieder sticht Davies‘ nicht sehr idiomatisches Deutsch hervor – eigentlich das einzige (aber kein ganz geringes) Problem dieser CD, die ansonsten eine schöne Ergänzung der Solokantaten-Sektion im CD-Regal jedes Bach-Liebhabers ist.
Michael Wersin, 21.01.2017
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