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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Rising Grace

Wolfgang Muthspiel

ECM/Universal 4797962
(69 Min., 1/2016)

Anmut: was für ein altmodisches Wort. Bedächtigkeit: noch so ein Wort von vorgestern. Unaufdringlichkeit: Dieser Begriff scheint auch nicht in die Zeit von Laut-Sprechern und angeblich talkenden Schreihälsen zu passen. Und dann noch Aufmerksamkeit, Einfühlsamkeit, Zurücknahme: Wo sind wir denn? Die Antwort: in der Gegenwart. Beim Quintett des österreichischen Gitarristen. Genauer: bei dessen Album „Rising Grace“, das er mit dem Pianisten Brad Mehldau und dessen zeitweiligen Trio-Gefährten, dem Kontrabassisten Larry Grenadier und dem Schlagzeuger Brian Blade, sowie dem Trompeter Ambrose Akinmusire eingespielt hat. Zehn Originals umfasst es, jedes anders und doch alle von derselben Grundhaltung des Suchens und Gebens geprägt. In acht Titeln stellt entweder Mehldau oder Muthspiel ein Thema in den Raum, auf das die anderen einsteigen, das sie aufgreifen, fortspinnen, kommentieren, manchmal auch umgarnen oder ignorieren und mit weiteren Themen beantworten. In manchen Passagen verlagern sich die Schwerpunkte wie auf einer Wippe zwischen den Musiker, und in anderen legen sich mehrere Melodien in einem fast linearen Prozess übereinander. Muthspiel spielt häufig eine akustische Gitarre, und zudem hat er die elektrische Gitarre auf halbakustisches Niveau eingestellt: Auch das verleiht der Musik einen angenehm zurückhaltenden Charakter. Akinmusire tritt gegenüber den vier anderen Bandmitgliedern weitgehend zurück, aber sobald er die Trompete an die Lippen setzt, dominiert sein weicher, atemreicher Klang das weitere Geschehen. Dabei geht er so weit, dass er sich in Muthspiels „Den Wheeler, Den Kenny“ vor dem 2014 gestorbenen Trompeter Kenny Wheeler verneigt, indem er dessen Vorliebe für den Kontrast aus flirrenden und getragenen Tönen liebevoll aufgreift. Es muss während der Aufnahmesessions eine angenehme Atmosphäre geherrscht haben, denn dieses Album vermittelt nicht das Gefühl, als seien bis ins letzte Detail ausgearbeitete Kompositionen auf den Pulten gelegen. Vieles wirkt spontan, freundschaftlich improvisiert und im besten Sinn des Wortes harmonisch. Dazu passen die alten Vokabeln. Aber genau dadurch gewinnt das Album seine zeitlose Schönheit.

Werner Stiefele, 17.12.2016


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