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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Georg Friedrich Händels „Giulio Cesare“ von 1724 ist nicht nur ein Füllhorn voll brillanter Arien. In dem antiken Clash der Kulturen steckt soviel Polit-Brisanz, dass Regisseure gerade am Nahost-Konflikt gar nicht vorbeikommen können. Und wie etwa in der Pariser Inszenierung von Regisseurin Irina Brook kamen 2006 die Anführer der verfeindeten Lager nicht ohne schweres Maschinenpistolen-Geschütz aus. So banal das szenisch alles war, so kam man wenigstens sängerisch voll auf die Kosten, dank Countertenor Andreas Scholl, der mit der Titelpartie in eine ihm musikalisch bestens vertraute zweite Haut schlüpfte. Sechs Jahre später, bei den Salzburger Pfingstfestspielen, fiel das Spektakel ähnlich zwiespältig aus. In der Regie von Moshe Leiser und Patrice Caurier wurde Händels „Giulio Cesare“ kurzerhand zum Kriegsschauplatz für die Ölindustrie – mit Scholl wohl als EU-Energieminister, der auf der Suche nach den sprudelnden Quellen ist. So recht einfallslos das Konzept variiert und durchgezogen wird, so sorgt das Regie-Team immerhin für einige flotte Klamauk-Tableaux. Wenn Cecilia Bartoli als blonde Sex-Bombe auf einer ebensolchen hereinschwebt und Cesare komplett den Kopf verdreht. Solche szenischen Geistesblitze hätte man sich mehr gewünscht. Andererseits zeigt dieser Live-Mitschnitt von 2012, dass tatsächlich ein Allstar-Cast all das mehr als nur halten kann, was man sich von ihm erhofft. Quer durch die Besetzungsliste kann man fast nur Höchstnoten verteilen. Leider nur fällt Anne Sofie von Otter da etwas aus dem Rahmen, da sie als Witwe Cornelia sängerisch nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Und von Giovanni Antonini und seinem Il Giardino Armonico hätte man etwas mehr Zugkraft und Schwarzpulver erwartet. An Andreas Scholls Kunst, weite Klangräume selbst in den intimsten Momenten so unnachahmlich zu gestalten, kommt hingegen immer noch keiner heran. Selbst die Kollegen Philippe Jaroussky (als Sesto) und Christophe Dumaux (als Tolomeo) nicht – und die singen in dieser Aufführung schon in einer eigenen Liga. Und Cecilia Bartoli? Als Kleopatra kann sie von zeitlos herrlichstem Schmelz bis zur kernigen Furioso-Attacke alles auffahren, was das Barockopern-Herz glücklich macht.

Guido Fischer, 09.07.2016


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