Wer diese Musik hört und ihre Besprechung in einer Jazzrubrik liest, mag sich zunächst verwundert die Augen reiben. Nun ist das französische Quatuor IXI nicht das erste Streichquartett, das sich den Jazz auf die Fahnen geschrieben hat, doch beim Modern String Quartet oder dem Sirius Quartet steht das Jazzidiomatische außer Frage. Bei den vier Franzosen verhält sich das anders. Nach tradierten Jazzparametern wie blaue Noten und Swingfeeling sucht man vergebens, und dass sie gewitzt Auskomponiertes und Improvisation organisch miteinander verbinden, ist auch nicht ohrenfällig, man kann es mühsam den Liner Notes entnehmen, die typografisch ebenso wie inhaltlich selbstveliebt einem verschleiernden Intellektualismus huldigen.
Und doch hat diese Musik etwas, was sich in diesen Zeiten der sich verwischenden Genregrenzen immer mehr als die Essenz dessen erweist, was den spezifischen Spirit des Jazz ausmacht, nämlich diese unmittelbare Authentizität aus der Verschmelzung der Identität von Ausführendem und – dabei oft auch interagierend – Komponierendem. Diese Einheit verleiht der Musik der Geiger Regis Huby und Théo Ceccaldi, des Bratschisten Guillaume Roy und des Cellisten Sushi Sakaï einen berührenden kraftvollen Sog, bei dem nichts bemüht konstruiert zusammengezwungen klingt, auch wenn Anklänge an die moderne französische Streichertradition zu Beginn des letzten Jahrhunderts, an Bartók – und Beethoven von Ferne – und Minimalismus immer wieder aufscheinen. Es ist das Dynamische mit seiner diskursiven Kraft und ein rhythmisches Momentum, das dieses unmittelbare Pulsieren jenseits metrischer Zwanghaftigkeit des freien Jazz hat; die neun Tracks bilden so bei aller zunächst möglicherweise etwas verstörenden Klanglichkeit einen facettenreichen Spannungsbogen, ein organisches Ganzes. Jeder Ton ist nicht nur perfekt intoniert, sondern kündet von kraftvoll viriler Vitalität.

Thomas Fitterling, 05.12.2015

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