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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Johann Sebastian Bach

Matthäus-Passion BWV 244b (Frühe Version)

Charles Daniels, Peter Harvey u.a., Yorkshire Baroque Soloists, Peter Seymour

Signum Records/Note 1 SIDCD385
(153 Min., 9/2013) 2 CDs

Eine bemerkenswerte Produktion der Matthäus-Passion in mehrerlei Hinsicht: Dass es sich um eine Aufnahme der Frühversion des Stücks (erstmals aufgeführt 1729 oder gar schon 1727 in Leipzig) handelt, wird dem Kenner der musikalischen Substanz zunächst vor allem beim Hören der Arien auffallen. Gleich in „Buß und Reu“ unterscheidet sich die Gesangsstimme in einigen melodischen Wendungen deutlich von der vertrauten späteren Version, ohne indes weniger reizvoll zu klingen. Noch größere Unterschiede gibt es in der Tenor-Arie „Geduld!“. Hinzu kommt vor allem das Fehlen des großen Chorsatzes „O Mensch, bewein dein Sünde groß“. Eine große Menge Detail-Unterschiede u.a. auch besetzungstechnischer Art erschließen sich dann bei genauerem Hören; Peter Seymour folgt bei seiner Verwirklichung der Frühversion übrigens nicht der Edition von Andreas Glöckner (2004), sondern einer eigenen.
Bemerkenswert ist diese Matthäus-Passion unbeschadet der Fassungsfrage aber auch in interpretatorischer Hinsicht: Das Werk ist hier im chorischen und auch instrumentalen Bereich konsequent solistisch besetzt – das wurde mittlerweile schon häufig praktiziert, ist aber freilich bei weitem nicht Standard. Es resultiert daraus eine sehr direkte, fast intime Art der Darbietung und somit auch der Vermittlung der Aussage; unterstützt wird diese „Intimität“ noch durch eine überraschend „undramatische“ (dabei aber keineswegs etwa langweilige) Herangehensweise an die gesamte Partitur. Hiermit konterkariert Seymour die Auffassung, Bachs Passionen stünden hinsichtlich ihres Ausdrucksspektrums der barocken Oper sehr nahe und seien eine dezidiert dramatisierende Aufbereitung der Passionsgeschichte. Vielmehr zeigt er, dass sich Ausdrucksintensität auf Basis der dichten Satzstruktur und komplexen Harmonik der Bachschen Musik auch ohne äußerliches Getöse und Geschrei erreichen lässt – selbst im zweiten Teil, wo sich die Ereignisse zur Kreuzigung hin zuspitzen. Die immer wieder eingeschalteten Choralstrophen, die die Passionserzählung gliedern und kommentieren, treten in diesem Interpretationskonzept nicht als Kontrast auf den Plan, sondern fügen sich selbstverständlicher ins Geschehen.
Zu konstatieren ist abschließend, dass Seymour diese sehr hörenswerte Einspielung mit einem hervorragenden Ensemble verwirklichen konnte, in dem neben dem erfahrenen Evangelisten Charles Daniels und dem brillanten Peter Harvey als Christus vor allem die Ariensänger von durchgehend sehr guter Qualität sind. Eine großartige Leistung.

Michael Wersin, 18.04.2015


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