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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Domenico Scarlatti, John Cage

Sonaten

David Greilsammer

Sony 88883762402
(61 Min., 7/2013)

2013 wagte der israelische Pianist und Komponist Matan Porat ein musikhistorisches Experiment. Er griff sich aus einer Sonate von Domenico Scarlatti ein Halbtonmotiv heraus und machte sich mit ihm auf die Suche nach musikalischen Verwandtschaftsbeziehungen. Und tatsächlich entdeckte Porat es in der Klaviermusik Schumanns, aber auch in der Moderne, bei György Ligeti und Pierre Boulez wieder. War der italienische Barockmeister und Sonaten-Vielschreiber also doch im Gegensatz zur landläufigen Meinung ein Visionär? Erstaunlicherweise hatte sich parallel zur Porats CD auch sein Landsmann David Greilsammer im Aufnahmestudio mit dieser Frage beschäftigt. Doch im Gegensatz zum Kollegen pickte sich Greilsammer gleich acht Klaviersonaten von Scarlatti heraus, um sie in Dialog mit John Cage und seinen 1946 begonnenen Sonaten für präpariertes Klavier treten zu lassen.
Zwischen den beiden Komponisten mögen drei Jahrhunderte liegen. Doch was ihre Sonaten-Kompendien miteinander verbindet, sind alle ihre zum Teil maschinellen Züge. Bei Scarlatti schnurren die Sechzehntel und Zweiunddreißigstel mal wie ein Uhrwerk ab. Und was er ansonsten einem da an spieltechnischen Kunststücken wie etwa teuflisch schweren Tonrepetitionen abverlangt, scheint oftmals nicht für einen Pianisten aus Fleisch und Blut gedacht, sondern für ein gutgeöltes Getriebe. Auf der anderen Seite sorgen die mit Schrauben, Bolzen und Filzstreifen präparierten Sonaten von Cage für den burlesken Klang selbstspielender Musikautomaten. In beiden Welten bewegt sich Greilsammer jetzt mit verblüffender Artistik. Der eigentliche Reiz bei dieser Gegenüberstellung liegt jedoch im Ausdruck und damit im Seelenvollen. Während bei Scarlatti abseits des manuell Pyrotechnischen immer auch das Empfindsame mitschwingt, hielt Cage auch in seinen Klavierklangexperimenten nicht viel von Gefühlsduselei und solchen verstaubten Begriffen wie Erhabenheit. Doch diese von Cage hochgezogenen Schutzmauern vor der Tradition hat Greilsammer mit seinem nuancierten Spiel nun eingerissen. Und plötzlich sind sich beide, Scarlatti und Cage, trotz völlig konträrer Vorzeichen näher als man bislang vermutet hatte.

Guido Fischer, 19.04.2014


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