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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Schlabbershirt, ein buntes Käppi auf dem Kopf und ein (damals angesagtes) Sonnenbrillenmodell – so betrat Friedrich Gulda in seinen letzten zwei Jahrzehnten meistens das Konzertpodium. Verstieß er damit gewaltig und natürlich bewusst gegen den Dresscode des klassischen Konzertbetriebs, so fielen seine Programme gleichermaßen bunt durchgewürfelt aus. Bach und ein Wiener Volkslied über die Reblaus, Mozart, Jazz und immer wieder Eigenes, in dem er zwischen Barock und Blue Note hin- und herhüpfte – das war Guldas Welt. Und zwischendurch schaffte er es gar, die absolute Jazz-Prominenz für gemeinsame Sessions zu gewinnen. Zu den bevorzugten Pianistenkollegen gehörten diejenigen, die in den Formationen von Trompeter Miles Davies jüngere Jazzgeschichte mitgeschrieben hatten. Dazu zählte neben Joe Zawinul vor allem Chick Corea, mit dem Gulda zusammen mit Nikolaus Harnoncourt Mozarts Konzerte für zwei Klaviere eingespielt hat.
Bei den Livemitschnitten aus den 1980er Jahren vom Münchner Klaviersommer improvisiert Gulda aber nicht nur mit Corea und dem Zyprioten Nicolas Economou rhythmisch derart rigoros und urwüchsig, als würde es sich hierbei um eine sechshändige Fassung von Strawinskis „Sacre“ handeln. 1989 wiederum jammte er in den Jazz-Klassikern von Cole Porter („Night and Day“) und eben Davies („All Blues“) mit Herbie Hancock. So musikantisch entwaffnend Gulda auch da alle Register zog, so stellte sich das reine Glück doch erst bei den Solo-Einlagen ein. Wenn Gulda etwa das Gesangliche, Innige und Zarte der Mozart-Sonate KV 333 zum Atmen und Sprechen bringt und so seinen Ruf, einer der begnadetsten Mozart-Flüsterer zu sein, untermauerte. Und auch wenngleich Gulda den drei Doppelpaaren aus Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ manchmal auch Busoni-Schminke aufträgt und dafür die Füße auf den Pedalen dauerparkt, kommt selbst dieses Bach-Spiel einer Erleuchtung und Offenbarung gleich. Wer so Klavierspielen konnte, der ließ selbst die härtesten Verfechter einer gebügelten Abendgarderobe verstummen.

Guido Fischer, 14.09.2013


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