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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Der Katalog des englischen Labels „Testament“ ist an Sensationen nicht gerade arm, aber im vorliegenden Fall haben sich die britischen Retro-Fanatiker noch einmal selbst übertroffen: Der französische Dirigent Désiré-Émile Inghelbrecht (1880-1965) war 1902 leibhaftig Zeuge der Uraufführung von „Pelléas et Mélisande“ gewesen, er kannte außerdem den Komponisten und seine Intentionen gut. Dass seine insgesamt acht (!) Rundfunkproduktionen der Oper zu Lebzeiten niemals auf CD erschienen sind, mag verwundern; dass auch in unseren Tagen lange Zeit keine der Aufnahmen verfügbar war (die einst in einer Naїve-Box veröffentlichte 1962er Version ist längst vergriffen), ist schlichtweg ärgerlich. Jetzt konnte Abhilfe geschaffen werden – bezeichnenderweise von den Engländern; der Grund dafür ist, dass Inghelbrecht den ersten seiner acht „Pelléas‘“ für die BBC produzierte.
Wir hören hier das vortreffliche „Philharmonia Orchestra“ (weil das „BBC Symphony Orchestra“ wegen hausinterner Rangeleien von der Produktion abgezogen wurde, wäre sie fast noch gescheitert!), von Inghelbrecht auf bewundernswerte Weise zu einem ganz und gar französisch tönenden Klangkörper geformt. Bei der Sängerbesetzung verließ man sich freilich ganz auf die damals bewährten französischsprachigen Kräfte: Die Belgierin Suzanne Danco ist eine der besten Mélisandes der Schallplattengeschichte; mit ihrem dunklen, schlanken und intensiv leuchtenden Timbre verleiht sie der geheimnisvollen Gestalt auf beeindruckende Weise Kontur. Camille Maurane bewährt sich mit seinem lyrischen, freundlichen Bariton als großartiger Pelléas und Henri-Bertrand Etcheverry dürfte als Golaud schwer zu übertreffen sein. Letzterer war schon in der berühmten ersten Gesamteinspielung unter Désormiere (1941) dabei gewesen; und Danco und Maurane stehen ihren Kollegen in der Désormiere-Version (Irène Joachim und Jacques Jansen) in Nichts nach, ja übertreffen sie vielleicht noch hinsichtlich der Feinzeichnung der Charaktere. Ohnehin sind die frühen französischen Einspielungen (Désormiere, Inghelbrecht, Cluytens) in puncto Atmosphäre bis heute unübertroffen; diese Inghelbrecht-Produktion ist daher eine unschätzbar wertvolle Bereicherung der Pelléas-Discografie.

Michael Wersin, 15.12.2012


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