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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Anne Sofie von Otter war drei Jahrzehnte lang eine künstlerisch vielseitige Autorität, die allein auf der Opernbühne von Barock bis zur Offenbachiade so ziemlich alles beherrschte. Doch was sich schon 2010 mit ihrem französischen Barock-Rezital „Ombre de mon amant“ angekündigt hatte, wird nun im italienischen Repertoire überdeutlich: Sie ist leider nur noch ein Schatten ihrer glorreichen Vergangenheit. Eine ins Alter gekommene Stimme ist keine Schande. Zumal gerade die Liebes- und Leidensgesänge, die Otter für das Album „Sogno barocco“ ausgewählt hat, genügend Spielraum geben für Ausdrucksschattierungen, mit denen sie auch in ihrer Blütezeit so manche vokale Unebenheit aufzufangen verstand. Leider nur lassen sich jetzt nicht sämtliche Unstimmigkeiten mit einer bisweilen ins Theatralische umschlagenden Expressivität kompensieren. Dazu mangelt es Otter mittlerweile so ziemlich an allem. Ihr Piano besitzt keine Konsistenz. Die dynamischen Möglichkeiten sind derart arg begrenzt, dass sie für die Höhe schon auf „Klimmzüge“ zurückgreifen muss. Was jedoch vielleicht am schwersten wiegt: Ständig muss man Otters Bemühen mithören, wie sie partout das Herz zu rühren versucht.
Aber leider ist man bereits bei der Einstiegsarie „Si dolce è l`tormento“ von Claudio Monteverdi allzu verwöhnt von der klanggewordenen Glut der Sehnsucht, wie sie gerade Otters Stimmfach-Kollegin Magdalena Kožená beherrscht. Und wenn sich bei dem Repertoire, das neben Opern-Arien von Francesco Cavalli (u.a. La Calisto) Luigi Rossis „Lamento della Regina di Suezia“ als Weltersteinspielung bietet, gerade Sopranistin Sandrine Piau als Duett-Partnerin hinzugesellt, tun sich zwei entgegengesetzte Welten des Barockgesangs auf. Bei der Kantate „Squarciato appena havea“ des Neapolitaners Francesco Provenzale (1624 -1704) kommt zumindest im Finale so richtig volkstümliche Stimmung auf. Und wenn sich Otter da mit den stimmstarken Instrumentalisten des exzellenten Alte Musik-Ensembles Cappella Mediterranea ins Zeug legt, glaubt man ihr eines auf jeden Fall: dass sie weiterhin Spaß und Lust am Singen hat. Und vielleicht schafft sie es ja wirklich noch ein Mal, ihre momentan leicht verbitterten Bewunderer umzustimmen.

Guido Fischer, 29.09.2012


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