Sony 886975 26952
(69 Min., 3/2012)
Eine Urheberrechtsdebatte wird dieses Album nicht entfachen, obwohl Händel doch der kreativste Barockkomponist im Umgang mit eigenem wie fremdem Zündfunken war. Denn das Arrangement, damals wie heute, ist ja vor allem eine Verneigung vor dem Genie des Melodieerfinders. Das melodische Gen einer feurigen Arie, eines rührenden Lamentos, eines schmetternden Chores hat sich erst so richtig in das kulturelle Gedächtnis eingeprägt, wenn es uns verarbeitet, arrangiert, in jeder denkbaren Besetzung entgegenschallt. Dann erst ist der Gehalt über die Form erhaben.
In dieser Tradition hat Wolfgang Katschner Händels Arien, Duette und Chöre durchkämmt nach Stücken, die sich als Battaglien der instrumentalen Klangfarben seiner Lautten Compagney inszenieren lassen. Braucht man, angesichts so vieler hervorragender Händel-Aufnahmen mit menschlichen Sängern eine Version ohne Worte? Ja und nein. Zwar ist das Wort-Tonverhältnis dahin, das bei vielen Arien wie bei dem in schneidenden Sprüngen gespuckten „Tu giurasti“ der Piacere aus dem Trionfo die melodische Erfindung erst anheizt. Aber dafür stehen die Instrumente, die Händel oft genug mit so viel Finesse seinen Sängern zu stummen aber nicht minder beredten Partnern beistellt, hier im Vordergrund. Katschners brillant aufgestellte Solisten-Palette reicht von rührend naiver Traverse über das traute Theorben-Duett bis zum knarrenden Violone und entlarvt damit gefühlige Oboen-Sampler als instrumental eintönige One-Man-Show.
Das hübsche Wortspiel lässt sich bei näherer Betrachtung zweifach lesen: Man kann sich Händels Musik nur auf die Gefahr emotionaler Berührung hin nähern. Dies gilt aber besonders, wenn sie mit so viel (Theater-)Herzblut und Sorgfalt behändelt wurde.
Carsten Hinrichs, 22.09.2012
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