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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Ludwig van Beethoven, Joseph Haydn, Arnold Schönberg, Alban Berg

Ferne Geliebte

Christian Gerhaher, Gerold Huber

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(67 Min., 1/2012)

Christian Gerhaher hat als Liedinterpret mittlerweile ein Niveau des fruchtbaren Miteinanders von Sprache und Melos erreicht, das in seiner Faszinationskraft nur mit der damals einzigartigen Kunst des (frühen) Dietrich Fischer-Dieskau zu vergleichen ist. Die Nennung dieser beiden Namen in einem Satz mag, weil sie schon so oft zu lesen war, ermüdend sein; tatsächlich jedoch ist dieser Vergleich ungemein aufschlussreich gerade auch im Blick auf die deutlichen Unterschiede in der „interpretatorischen Vita“ der beiden Baritone: Fischer-Dieskau hat seinerzeit an einem bedauerlich frühen Zeitpunkt eine bisweilen suggestive Züge annehmende Deklamationskunst der musikalischen Integrität übergeordnet, und folgerichtig nahm der rein vokale Reiz seines Gesangs im Zusammenhang damit ab. Christian Gerhaher hingegen ist es bisher gelungen, die Balance zu wahren: Nur an ganz wenigen Stellen etwa in Beethovens „Ferner Geliebter“ erliegt er der Versuchung, quasi „mit der Stimme zu dirigieren“, indem er einen dynamischen oder agogischen Effekt mittels gleichförmigen Skandierens einer Silbenfolge anführt. Über weite Strecken jedoch schöpft er die sprachliche Finesse und Delikatesse seiner Darbietung aus dem, was Beethoven musikalisch angelegt hat, und zerstört als Vortragender dabei nicht die Integrität des Melos. Differenziert mit dem Text umgehen und doch vor allem ein musikalisches Kunstwerk zum Erklingen bringen – eine Gratwanderung, die Gerhaher mit großer Perfektion beherrscht.
Wie gut er das kann, zeigt sich dann besonders eindrucksvoll in Arnold Schönbergs einst skandalumwittertem „Buch der hängenden Gärten“ nach Stefan George: Gerhaher holt den atonal-expressionistischen Ausdrucksgesang dieses Liederzyklus‘ durch traumwandlerisch perfekte Beherrschung der anspruchsvollen musikalischen Substanz zurück in eine Sphäre des ausdrucksstarken Lyrizismus, die den Werken der „ersten“ und der „zweiten Wiener Schule“, die in diesem Programm einander gegenübergestellt werden, tatsächlich gemeinsam zu eigen ist. Dass ihm Gerold Huber bei all diesen Kunststücken ein vollkommener Partner am Klavier ist, muss kaum noch eigens erwähnt werden – seit Studienzeiten musizieren die beiden zusammen, und ihr künstlerisches Einvernehmen ist vergleichbar demjenigen von Fischer-Dieskau und Gerald Moore.

Michael Wersin, 16.06.2012


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