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N° 1297
18. - 24.03.2023

nächste Aktualisierung
am 25.03.2023



Sie gibt bekanntlich im Orchester den Ton (a‘) an. Bei Prokofjew quäkt sie allerdings wie eine Ente, in Brahms‘ Violinkonzert wiederum singt sie, dass die Sologeige vor Neid erblasst; und Berlioz, der Instrumentenkenner schlechthin, schwärmt von ihrer „Zärtlichkeit“ und „Schüchternheit“. Ihrem Aerophon mit konischem Doppelrohrblatt, genannt Oboe, weiß Céline Moinet alle möglichen Klangfacetten zu entlocken. Dabei bedient die 28-Jährige, obwohl ihr Solo-Album u.a. auch Bearbeitungen der a-Moll-Flötenpartita und -sonate von Bach-Vater bzw. -Sohn Carl Philipp Emanuel aufweist, keinesfalls jenen Mainstream, dem manch ungleich berühmterer Berufskollege in gefällig-gefühligen Arrangements von Kantaten-Arien oder Vivaldi-Schlagern folgt.
Moinets Solo-Kost ist, äußerlich betrachtet, trockener, aber auch ehrlicher – und sinnlicher, zeigt sie doch, welches Klangspektrum ihrem „Werkzeug“ innewohnt und wie souverän sie dies beherrscht. Den stilisierten Tanzsätzen der Bachschen Partita bzw. Sonate von 1722/1747 bleibt sie an makelloser Virtuosität nichts schuldig – was allerdings bei einer Solooboistin der Sächsischen Staatskapelle nicht weiter überraschen mag. Darüber hinaus aber künden ihre Phrasierungen, ihre Dynamik- und Tempo-Modifikationen von einer sorgfältigen Auseinandersetzung mit der barocken Klangrede. Ihr eminent klarer, heller und obertonreicher Ton passt im Übrigen bestens zu Bachs in den Solo-Partiten latent angelegter Polyphonie. Provokante Wege geht die Wahl-Dresdnerin in Luciano Berios mitunter bruitistischer siebter „Sequenz“ aus dem Jahr 1969 wie auch in Elliott Carters „Inner Song“ von 1992, der auf meditative Art, aber mit durchaus sperrigen Intervalleinschüben den Gesangskünsten der Oboe und Heinz Holliger, einem ihrer größten Meister, huldigt. Dass Céline Moinet sich nicht hinter diesem (oder auch Albrecht Mayer) verstecken muss, zeigen nicht zuletzt Benjamin Brittens Ovid-Metamorphosen von 1951. Gleichermaßen bukolisch-sanft wie erregend künden sie von den mythologischen Pan-Syrinx-Quellen der Oboe. Und von den Verführungskünsten ihrer Interpretin.

Christoph Braun, 03.03.2012



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