Tim Berne, die 58-jährige Ikone der New Yorker Downtown-Szene, war länger ohne eigene Band. Vor über zwei Jahren fand der Altsaxofonist in dem Klarinettisten Oscar Noriega (der auch das Bassinstrument spielt), dem Pianisten Matt Mitchell und dem Schlagzeuger Ches Smith Partner für eine neue Band. In ihnen entdeckte er „die starken Persönlichkeiten, die in der Hitze des Gefechts nicht davor zurückschrecken, ihre eigene Meinung auszudrücken“, wie er sagt. Schon immer verfolgte Berne das Ziel, mit den Mitteln der Komposition die Improvisation zu befördern und anzutreiben. Dabei soll sich die Musik nicht zu einer Reprise des Themas hin bewegen, sondern zu einem neuen Ort.
Auf Snakeoil überlappen sich denn auch Geschriebenes und Improvisiertes. Fortschreitende motivische Repetition spielt in den sechs ausgedehnten Stücken eine große Rolle, Repetition qua Dekonstruktion: In Engführung von zerfasernder Leadstimme einerseits und einer die Elemente der Grundmotivik fortführenden Begleitung des zweiten Bläsers und/oder Klaviers andererseits behauptet sich über alles Mäandrieren hinweg der Grundduktus der jeweiligen Komposition. Vor ihm erscheinen die jeweils artikulierten Linien in oft faszinierend neuem Licht; mitunter aber droht auch eine bedrängende Penetranz, zumal immer wieder über lange Abschnitte die Stimmen tutti in ständigem Kontinuum äußerst dicht agieren. Außerdem mischen sich der Klang des Altsax und der Klarinette nicht für jedes Empfinden ideal. Wem dies beckmesserisch erscheint, addiere einen weiteren Notenpunkt, denn ein wichtiges und faszinierendes Opus Bernes ist dies Album allemal.
Thomas Fitterling, 25.02.2012
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