Naive/helikon harmonia mundi V 4932
(57 Min., 7/2002) 1 CD
Einen Überblick über Claude Debussys Liedschaffen vermittelt die Sopranistin Sandrine Piau, begleitet von Jos van Immerseel auf einem Erard-Flügel von 1897. Piau befand sich zum Zeitpunkt der Aufnahme stimmlich in recht guter Verfassung; besonders in der Mittellage und in der Höhe gelangen ihr reizvolle Effekte. Dennoch lässt gerade diese CD erahnen, warum die Sängerin Anfang 2003 an der Münchner Staatsoper ein Debakel als Konstanze in Mozarts "Entführung" erlebte: Stärkere Belastung im Forte führt bisweilen zu einer gewissen Blässe, die sonstige leicht verhangene Weichheit des Klangs trägt hier nicht mehr. Auch ist es fraglich, ob jene verhangene Weichheit, die so wunderbar mit dem Ausdruck des Cover-Fotos korrespondiert, bei Debussy überhaupt gefragt ist. Immer wieder muss in dieser Hinsicht auf die historischen Debussy-Einspielungen der Engländerin Maggie Teyte (Pearl) verwiesen werden. Teyte war nach Mary Garden Debussys Muse und bevorzugte Interpretin der Mélisande, und ihre intensive Arbeit mit dem Komponisten lässt auf eine hohe Authentizität ihrer Interpretationen schließen. Im Bezug auf die vorliegende CD kommt der Zyklus "Proses lyriques" zum Vergleich in Frage: Maggie Teyte nahm ihn 1936/1940 mit Alfred Cortot bzw. Gerald Moore auf. Immer wieder überraschend ist Teytes faszinierende Mischung aus distanzierter Kühle des Ausdrucks und warm-dunklem Stimmklang, mit der sie den Hörer augenblicklich der Realität zu entheben vermag. Die von Debussy häufig beanspruchte tiefe Lage meistert Maggie Teyte mit ausgeprägtem, sehr offenen und klaren Brustregister-Klang; hier müssen die meisten anderen Sopranistinnen, auch Sandrine Piau, mit abgeschatteten Mischtönen tricksen. Die Unmittelbarkeit der Ansprache des Hörers, die unerbittliche Konzentration und Intensität, mittels derer Maggie Teyte trotz schlechter Aufnahmetechnik fesselt, erreicht bis heute kaum eine andere Sängerin. Die meisten flüchten, wie auch Piau gelegentlich, in einen nebulösen Klangzauber, der für sich genommen sehr faszinierend sein kann, aber wahrscheinlich nicht der Intention Debussys entspricht. Der eigentliche Star dieser CD heißt daher Jos van Immerseel: Er entlockt dem historischen Instrument immer wieder begeisternd dichte, kompakte Klänge und demonstriert die Vielfalt und Gewalt von Debussys Klaviersatz, im oberen dynamischen Bereich aus den genannten Gründen gelegentlich zu Sandrine Piaus Nachteil.
Michael Wersin, 26.07.2003
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