Zulus Records/Liebermann 05-02-001
(61 Min., 1/2002) 1 CD
Furchterregend sehen die Noten Debussyscher Klavierwerke aus, den Novizen schlägt die Zahl der Vortragsanweisungen zuerst mit Starrkrampf. Selbst der erfahrene Pianist muss sich befragen, ob er diese so genaue wie vielschichtig-rätselhafte Notation derart verinnerlicht hat, dass er loslassen kann, damit das Schwierige leicht und flüssig erscheint. Den geschmacklosen Debussyspieler wird die Fülle dieses Schaufensters subtiler pianistischer Effekte reizen, irgendein delikates ppp herauszugreifen. Sinnlos reihen sich dann die "schönen Stellen".
Susanna Artzt aber zählt zu den ausgesprochen Geschmackvollen. Kein Detail soll das Ganze regieren. Wer den ersten Band der "Images" oder die "Estampes" hört, kann einen Klang bewundern, so sensibel die Grade des piano aushorchend, ein so behutsam eingesetztes Pedal, dass uns die großen Namen in den Sinn kommen. Diszipliniert trennt Susanna Artzt die Klangschichten des Gamelanorchesters der "Pagodes", ohne sie zu vermischen, also tatsächlich "fast ohne Nuancen", wie es Debussy fordert. Bei der Tempo-Dramaturgie ist Artzt nicht immer so souverän, da krampft sich der natürliche Fluss der Bewegung zuweilen, finden sich in der "Soiree de Grenade" die Tempoblöcke eher aneinandergenietet als sich auseinander entwickelnd. Etwas preußisch.
Dass sie dieses unmerkliche Stauen und Verflüssigen zugunsten deutlich geschiedener Episoden aufgibt, hören wir auch in einer eigenwilligen, aber interessanten fünften Skrjabin-Sonate. Sehr breit, sehr deutlich ausformuliert das Hauptthema, konzentriert belauscht die Pianistin das Leben der Unterstimmen. Und doch erwarten wir, dass diese schwüle Ruhe nur ein Vorraum ekstatischer Steigerungen sein möge. Doch kaum will sich das Werk zum Presto-Flug heben, warten diese unzähligen Molto-rallentando-Episoden wie Tiefsandlöcher. Mit einer fast maliziösen Freude am klanglichen Auffasern spielt Artzt den selbstquälerischen, unbefreiten Zug dieses einkomponierten "Noch nicht!" aus. Mag das Geschehen auch immer wieder steckenbleiben, das tut es ausgesprochen raffiniert. Dieses Klavierspiel ist nicht nur kultiviert, es ist auch ziemlich originell.
Matthias Kornemann, 20.06.2002
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