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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Mit seinem Drei-Tage-Bart, Zahnpasta-Lächeln und diesem gewissen Etwas in den Augen könnte Miloš Karadaglić glatt der neue Teenie-Schwarm am Latin-Lover-Himmel sein. Doch glücklicherweise ist auch diese fotogene Booklet-Inszenierung nur schöner Schein. Denn Karadaglić ist kein säuselnder Schnulzenbarde, sondern ein auch schon mal beherzt und feurig zupackender Klassik-Gitarrist. Natürlich kämpft der akustisch gespielte Sechssaiter weiterhin um die endgültige Anerkennung derjenigen, die selbst dem Fagott noch ein charismatischeres Eigenleben attestieren. Dennoch wurde der aus Montenegro stammende Karadaglić nun von einem Großlabel unter Vertrag genommen, das in seiner langen Geschichte die Gitarre mehr als stiefmütterlich behandelt hatte. Nach den weit zurückliegenden Zeiten eines Narciso Yepes folgt nun also ein mehr als nur vielversprechender Newcomer.
Für sein Debüt-Album „Mediterráneo“ hat Karadaglić zwar vorrangig Stücke aufgenommen, bei denen die verschworene Gitarrengemeinde gelangweilt abwinken wird. Schließlich sind all die spanisch durchkolorierten Charakterpiècen von Albéniz („Asturias“) bis Granados („Andaluza“) längst vielfach eingespielte Evergreens. Und auch eine Romanze, die einst von Yepes unter dem Titel „Jeux interdits“ zum Welthit gemacht wurde, fehlt nicht auf Karadaglićs aktueller Klang-Reise entlang der Mittelmeerküste. Dass „Mediterráneo“ aber eben kein Allerweltsalbum ist, sondern eine exzellente Visitenkarte eines in allen Belangen reifen Musikers, macht Karadaglić etwa nicht nur über Repertoire-Überraschungen deutlich (u.a. ist es die atmosphärisch geheimnisvoll aufschäumende Suite „Koyunbaba“ des Italieners Carlo Domeniconi). Karadaglićs Spiel besitzt alles, um besonders das Halbschattige in dieser Musikauswahl einzufangen. Rhythmisch fesselnd und im Dynamischen hochsensibel zu Werke gehend, entlockt er seiner Gitarre dabei genauso alle klangfarblichen Möglichkeiten wie eine warme, tonliche Fülle und Tiefe. Und nicht zuletzt ist es dieser Gestus des scheinbar spontanen Improvisierens, der selbst bei den vertrauten Gitarren-Oldies für eine anspringend neue Lebendigkeit sorgt.

Reinhard Lemelle, 23.07.2011


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