home

N° 1298
25. - 31.03.2023

nächste Aktualisierung
am 01.04.2023



Man möchte sie eigentlich nicht miteinander vergleichen, diese beiden außergewöhnlichen Ereignisse des zu Ende gegangenen Mahler-Jubeljahres. Wenn zwei ausgewiesene Mahler-Experten am Werk sind, die sich ebenso akribisch wie hingebungsvoll, ja bedingungslos auf den extremen Ausdruckskosmos des einzigartigen Fin-de-siècle-Genies einlassen; wenn diese jeweils wunderbar kompakte, souveräne Orchester und Chöre leiten und man allenfalls darüber streiten mag, ob im "Urlicht" Bernarda Fink im Vergleich zu Lioba Braun doch etwas zu viel Vibrato-Ausdrucksschwere auflegt: Dann sollte man sich getrost beide Aufnahmen in den Schrank stellen.
Sowohl Mariss Jansons Amsterdamer wie auch Jonathan Notts Bamberger "Auferstehungs"-Sinfonie zählen jedenfalls zu den überwältigendsten – und den bisherigen Referenzen von Stokowski, Solti und Klemperer tontechnisch weit überlegenen – Vergegenwärtigungen dieses gigantischen chorsinfonischen Werkes. Mit ihm knüpfte Mahler bekanntlich nicht nur an Beethovens Neunte, sondern auch an seine eigene Erste an: Deren jugendlich-ungestümen "Titan"-Helden trägt er in der ersten Abteilung ("Totenfeier") zu Grabe und vermenschlicht ihn sozusagen im Folgenden – mit der existentiellsten aller Fragen: "Warum hast du gelebt? Warum hast du gelitten? Ist das alles nur ein großer, furchtbarer Spaß?" Im Finalsatz, seinem größten überhaupt, gibt Mahler mit Klopstocks Auferstehungs-Ode und eigenen Versen eine der erschütterndsten Antworten der Musikgeschichte.
Hierbei setzt Jansons (noch) mehr als Nott auf das Hymnisch-Getragene. Auch das Lyrische hat beim Letten (noch) mehr Entfaltungsraum als beim Engländer (betörend in Amsterdam vor allem, wie das von Mahler "in ruhig fließender Bewegung" vorgegebene Scherzo singen und atmen darf). Nott wiederum 'punktet' mit einer Vehemenz, die in der Mahler-Diskographie allenfalls noch von Solti an den Tag gelegt wurde. Immer wieder hämmert er dem Hörer Mahlers Todesfurcht, die das ganze Opus durchzieht, brachial ins Bewusstsein: so wild (und präzise!) hat – pars pro toto – noch keiner zu Beginn die rollenden und grollenden Bässe auffahren lassen. Und die Pauken donnern, dass man glaubt, neben ihnen zu sitzen – auch, wie gesagt, dank einer fabelhaften Tontechnik. So wird Mahler auch zu Hause zum nachhaltigen Erlebnis.

Christoph Braun, 08.01.2011



Diese CD können Sie kaufen bei:

Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen


Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Nach seiner viel beachteten Aufnahme der 7. Sinfonie setzen François-Xavier Roth und das Gürzenich-Orchester Köln ihre Bruckner-Gesamteinspielung fort. Die „Romantische“, wie Anton Bruckner seine vierte Sinfonie selbst betitelt, komponierte er 1874 inmitten einer Zeit persönlicher Niederlagen. Und er zweifelt sofort an seinem Werk, bezeichnet manche Stellen als „unspielbar“ und findet die Instrumentation „hie und da überladen und zu unruhig“. Erst Jahre später, nach […] mehr


Abo

Top