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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Solo

Vijay Iyer

ACT/Edel 1094972ACT
(57 Min., 5/2010)

Es soll ja Hörer geben, die ob des wahren Sturms der weltweiten Lobgesänge auf das Trio-Album des 39-jährigen amerikanischen Pianisten mit den indischen Vorfahren skeptisch innehielten, in sich hineinlauschten und gestanden, dass sie die Botschaft wohl hörten und verstünden, aber doch irgendwie ihr Herz im Innersten ungerührt blieb. All diesen Skeptiker gibt der gepriesene Star eine zweite Chance zur bewegten Entdeckung. Mit einem geradlinigen Solo-Album hat er ein Dokument unverstellter Selbstoffenbarung eingespielt. Von den elf Titeln stammen nur vier von Iyer selbst, die anderen verweisen auf seine großen Vorbilder Thelonious Monk, Andrew Hill, Duke Ellington, Richard Abrams, Randy Weston, Cecil Taylor und Sun Ra. Vor ihnen verneigt sich Iyer im Covertext explizit. Ungenannt bleibt Keith Jarrett, dessen Einfluss auf ein Klaviersoloalbum fast zwangsläufig ist. Iyers rührige Begleitfiguren der linken Hand sind denn auch deutlich von Jarrett inspiriert. Doch den Anteil einzelner Vorbilder an Iyers Stil zu diskutieren bleibt müßig angesichts der Tatsache, dass da jemand aus der verinnerlichten Tradition zu einer ganz persönlichen Sprache gefunden hat. Einer Sprache, deren berührende Schönheit am deutlichsten wird, wo sie sich am Diskurs über so schwierige Pièces de résistance der modernen Klassik wie Clarke/Monks "Epistrophy" oder Ellingtons "Black and Tan Fantasy" oder "Fleurettes Africaines" versucht. Da wird nicht einfach eine neue persönliche Lesart vertrauter Themen angeboten, sondern es werden vielmehr bisher ungekannte, bewegende Tiefendimensionen dieser Kompositionen des Jazzkanons erschlossen. Was hierbei ebenso wie bei Iyers Einlassungen über eigene Titel so bestechend wirkt und unmittelbar zu Herzen geht, ist, dass da jemand von der ersten Tonfolge ab eine in bestem Sinne kluge Musik macht, die blitzgescheit ist und doch dem entspringt, was der gute, altbackene, deutsche Ausdruck von der Herzensbildung am treffendsten ausdrückt. Wer kann da noch weiterhin einen skeptischen Zweifel kultivieren?

Thomas Fitterling, 18.09.2010


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