Eine schöne Idee, die Oliver Schnyder da für sein Schumann-Recital gehabt hat: Von den Abegg-Variationen, dem op. 1 des 21-Jährigen, spannt er einen Bogen bis zum letzten vollendeten Werk, den teilweise schon im Endenicher Sanatorium komponierten Geister-Variationen. Die Wirkung, die die Gegenüberstellung des ballselig überschäumenden Erstlings und des einsilbigen, verstörten Schlussworts haben könnte, bleibt freilich aus. Schnyder spielt beide Stücke mit dem gleichen runden und gesunden Ton, der weder Überschwang noch Erschütterung vermitteln kann. Natürlich kann der 37-jährige Schweizer Klavier spielen: Der Klang ist farbig, die Gestaltung sorgfältig. Nur an der entscheidenden Hürde, den musikalischen Gedanken ganz zur poetischen Idee werden zu lassen, scheitert er. Die Davidsbündlertänze etwa entwickeln nicht den Überdruck, der über die Einzelepisoden hinausweisen würde, selbst die ausdrücklichen Ermunterungen des Komponisten zu expressivem, exzentrischen Spiel wie "etwas hahnbüchen" oder "mit äußerst starker Empfindung" werden nie wirklich ausgereizt. Allzu phlegmatisch und artig bleibt das, selbst die relativ harmlose "Arabeske" blüht nie richtig auf. Das ist natürlich kein Vergleich mit Schumann-Heroen wie Kempff und Arrau, aber auch aktuelle Konkurrenten machen's besser: Michael Endres (Oehms) zum Beispiel, der aus den "Gesängen der Frühe" und den "Geister-Variationen" eine Grundspannung zwischen erzwungener Ruhe und unterschwelliger Rastlosigkeit heraushört.
Jörg Königsdorf, 28.08.2010
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