Oehms Classics/harmonia mundi OC 620
(71 Min., 2/2008) 1 CD
Was für ein wunderbarer Zyklus wächst da heran! Man muss schon lange – über den jungen Barenboim und Gulda hinaus bis zu Solomon – in die Vergangenheit hinein suchen, bis man eine ähnlich charakteristische Beethovenschau findet, die so prägnant den Konfliktkomponisten der Musikgeschichte schlechthin präsentiert. "Brechen muss das Klavier!" Was der Meister selbst 1802 zu den Ausbrüchen im berühmten Eröffnungssatz seiner (von ihm nicht) sogenannten "Sturm"-Sonate äußerte, das macht sich Michael Korstick zur faszinierenden Schaffensmaxime. Wobei man ihn auch im siebten Teil seiner Gesamteinspielung, der der Sonatentrias op. 31 gewidmet ist, nicht einfach über den gewaltsam-herrischen Titanenkamm scheren kann. Korstick ist vielmehr der Beethoven'sche Spannungsinterpret schlechthin: Wie er quasi aus der Stille der arpeggierenden Sextakkorde heraus immer wieder das unruhige, dabei gestochen klar präsentierte Achtelthema der d-Moll-Sonate entwickelt und es im atemlosen fis-Moll-Sturm explodieren lässt – derart abgründig ausgelotete Binnenspannungen findet man bei keinem anderen Beethovenexegeten unserer Tage. In den beiden Dur-Geschwistern op. 31/1 und 3 findet sich Analoges in den Sforzati der Ecksätze, die Korstick derart heftig hinausschleudert, dass man ihren skurrilen Witz, ja brutalen Sarkasmus mit Händen greifen kann. Das ist so atemberaubend wie schlüssig. Denn bei Korstick ist nichts effekthaschend, nichts aufgesetzt, sondern Teil eines bis ins letzte Detail durchdachten Konzeptes, das die Grenzbereiche dieses Extremisten schonungslos aufdeckt – getreu dem Urtext, der denkbar "wörtlich" und detailgenau verwirklicht wird. Dazu gehören auch und gerade die provozierend langsam genommenen Mittelsätze, allen voran das seltsame, spieltechnisch horrend anspruchsvolle Adagio grazioso der G-Dur-Sonate. Wo sonst die schier endlosen Trillerketten eher verlegen schnell und mechanisch als Spieluhrmusik in sieben/acht Minuten abgespult werden, da entwirft Korstick einen fast zwölfminütigen Ausdruckskosmos mit faszinierend vielfältigen Anschlagsnuancen – und einer Suggestionskraft, die einen keine Sekunde loslässt.
Christoph Braun, 27.03.2010
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