Virgin/EMI 5 45399 2
(73 Min., 6/2000, 10/2000) 1 CD
Bachs Solostücke für Geige oder Cello sind emotional kolorierte und oft tänzerisch verpackte Etüden des Kontrapunkts für ein einzelnes Streichinstrument, Übungs- ebenso wie Demonstrations-Musik. Benjamin Britten, befreundet mit dem Cellisten Rostropowitsch, soll beim Lunch dem auf die Serviette gekritzelt haben: "Gutschein: Sechs Solosuiten für Slava", aber fertigstellen konnte er nur noch drei, und er kommt zu ganz anderen Resultaten als Bach.
Zwar rotieren auch Brittens Solosuiten um den Kontrapunkt, alle drei haben eine Fuge, es gibt eine Chaconne, eine Passacaglia, aber auch viel "assoziativ" Komponiertes, rhapsodisch Schweifendes, immer jedoch Verdichtetes, Konzentrat von Wünschen, Ängsten, Erinnerungen, Stimmungen: Brittens drei Suiten haben den Charakter von seelischen Reisen, sind somit weit persönlicher als die Bachs. Und so hat Rostropowitsch sie auch eingespielt, jedenfalls die ersten zwei - bedenkenlos subjektiv, sozusagen Brittens Reiseroute in die eigene Biografie einklinkend.
Der Norweger Truls Mørk geht wesentlich distanzierter an die Aufgabe heran, das heißt, er bildet in erster Linie ein Tonkonstrukt ab, nach bestem - beträchtlichem! - Vermögen. Mørks Ton ist zwar kühl, aber nicht unpersönlich, seine Linie atmet, und die Verläufe schwingen weit aus. In gewisser Hinsicht objektiviert er Brittens Stimmungsmusik, und das ist, wenn man Rostropowitschs einst "definitive" Version von Nr. 1 und 2 noch im Ohr hat, eine wahre Wohltat. Man kann bei Truls Mørk goutieren, wie kennerisch diese Stücke gebaut sind - auch wenn ihre Gemütshaltung bei Rostropowitwsch klarer zutage tritt. Aber Rostropowitsch überfrachtet das Material mitunter, und so kommt man zu dem paradoxen Schluss, dass beide so gegensätzlichen Versionen, Mørks und "Slavas", gemeinsam ein Ideal dieser drei Suiten präsentieren würden. Wenn das denn ginge ...
Thomas Rübenacker, 18.01.2001
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